Merkmale der politischen
Freiheit
Das Phänomen der
politischen Freiheit in der islāmischen Gesellschaft gründet sich auf ein
allgemeines Prinzip im Islam. Sie ist mit keiner besti-mmten Person verbunden
und von keiner Zeit ohne eine andere abhängig, da der ehrwürdige Qurʾān ihre
Stützpfeiler durch die Daʿwah der Muslime dahingehend fest verankert, dass
diese das Rechte gebieten und das Verwer-fliche verbieten. Der Gesandte GOTTes
(GOTT segne ihn und schenke ihm Heil!) erläuterte sie ausführlich erklärend und
anwendend. Zahlreiche Ḥadīṯe wurden überliefert, die die Muslime zur
Auseinandersetzung mit dem Unrecht anhalten, selbst wenn die Angelegenheit mit
dem Herrscher in Verbindung steht. Der Gesandte GOTTes (GOTT segne ihn und
schenke ihm Heil!) sagte: „Wenn meine Nation sich fürchtet dem Ungerechten zu
sagen „O Ungerechter!“, dann verabschiede dich von ihr!“ Er sagte auch: „Es
gibt kein Volk, in dem Widersetzlichkeiten begangen werden und das stär-ker und
zahlreicher ist als derjenige, der diese begeht, und sie ändern das nicht, dann
erfasst sie alle Pein.“ Es gibt im Bereich der Praxis nichts Klareres als das,
was von Anas Ibn Mālik (GOTT möge an ihm Wohlge-fallen haben!) überliefert
wurde; er sagte: „Ich ging mit dem Gesandten GOTTes (GOTT segne ihn und schenke
ihm Heil!). Er trug ein naǧrani-sches Gewand mit dicken Rändern. Ein Beduine
holte den Gesandten ein und zog ihn heftig an dessen Gewand. Ich blickte auf
die Schulterober-fläche des Propheten (GOTT segne ihn und schenke ihm Heil!),
die vom Rand des Gewands durch das heftige Ziehen beeinflusst worden war.
Daraufhin sagte der Mann: “O Muhammad, überreiche mir von GOTTes Vermögen, das
du hast!” Da wandte er sich an ihn, lachte und ordnete für ihn eine Gabe an.“
In welcher Freiheit kann das
unter ihrem Schutz passieren?
Und in welcher
Gesellschaft – wie hoch in dieser auch der Rang an zivilisierter Lebensweise im politischen
Bereich sei – kann sich ein Bürger der unteren Schicht – gemäss der üblichen
sozialen Einteilung in der menschlichen Gesellschaft – dem Herrscher nähern,
abgesehen davon, dass er es wagt ihn mit
dieser Heftigkeit an dessen Gewand zu ziehen?
Wer von den Herrschern erlaubt einem
seiner Untertanen ihn mit seinem Namen anzusprechen, ganz zu schweigen vom
Richten von Worten an ihn, die den
Verhaltens- und Anstandsregeln ent-behren?
Wir hören – als
erlebende und heimgesuchte Zeitgenossen – in der modernen Zeit – deren Herren
auf die Erscheinungsformen deren politi-schen Freiheit ein Loblied singen – von
eigenartigen Gesetzen, als da sind das Gesetz des Schmähens der königlichen
Persönlichkeit, das Gesetz des Schmähens, das Notstandsgesetz, das
Staatsoberhauptsgesetz, das Staats-sicherheitsgesetz und andere Massnahmen,
die die Freiheit im Keim ersti-cken, ja sie sogar zu einer Fehlgeburt führen,
bevor sie das Licht des Lebens erblickt, oder die Folterknechte auf der Erde
und die Unterdrückten im Schatten der politischen Diktatur ihr Dasein fühlen.
Dagegen ist es das Prophetentum, das Muhammad (GOTT segne ihn und schenke ihm
Heil!) zum Verhalten auf diesem Weg führte, damit er die Muslime lehre, wie die
Beziehung zwischen Herrscher und Beherrschtem sein muss!
Eine Beziehung,
in der es Mitleid des Vaters mit dessen Sohn,
Zärt-lichkeit der Mutter gegenüber deren Baby, Liebe des Bruders zu
dessen Bruder, Nachsicht des Freundes gegenüber dessen Freund und
Barmher-zigkeit des Grossen gegenüber dem Kleinen gibt.
Des Weiteren
beruht sie darauf sich den Tyrannen entgegenzu-stellen – zuweilen mit Rat und
ein anderes Mal durch gewaltsame Auseinanderset-zung mit ihnen, sofern es die
Angelegenheit erfordert. Die Muslime halten sich dabei an die Worte des
Gesandten GOTTes (GOTT segne ihn und schenke ihm Heil!): „Die Religion ist der
gute Rat.“ Als die Gefährten ihn fragten, für wen der gute Rat sei, antwortete
er mit den Worten: „Für GOTT und für SEINEN Gesandten und für SEIN BUCH und für
die führenden Männer der Muslime und für deren einfache Leute.“ Es ist
überliefert, dass ʿOmar eines Tages eine Ansprache hielt und sagte: „O Leute!
Hört und gehorcht!“ Da sagte ein Mann: „Wir werden weder hören noch gehorchen.
Du trägst ein langes Gewand, und du bist ein grosser riesiger Mann. Die
Kleidung, die gekommen ist, genügt keinem Einzigen von uns trotz seiner Kürze.
Woher hast du das also?“ ʿOmar sagte: „Steh auf, Abdulla Ibn ʿOmar! Informiere
die Leute!“ Da teilte Abdullah ihnen mit, dass er seinem Vater sein Stück
gegeben habe, und dann habe er davon ein Gewand machen lassen. Der Mann sagte:
„Sprich! Jetzt werden wir hören und gehorchen.“ Den guten Rat für die führenden
Männer, die ja die Führung des Staates darstellen, bezeichnet man in der
modernen Zeit als Kritik. Wenn es den Muslimen erlaubt ist, den Herrscher zu
kritisieren, dann ist das die politische Freiheit. Und ist das eine Pflicht
für sie, gilt das Prinzip der Freiheit als ein Merkmal der Basisstruktur in der
Gesellschaft.
Die Muslime
wussten das und folgten somit seiner Rechtleitung und beschritten seinen Weg.
So gab es in ihren Gesellschaften einen Platz für die Freiheit. Dieses Phänomen
beschränkte sich nicht nur auf die Zeit der rechtgeleiteten Kalifen, sondern
fand sich in jeder Zeit, in der ein Herrscher seinen Weg zu GOTT kannte. Im
islāmischen Staat gab es Streit um den Vorrang nur auf Grund einer
rechtschaffenen Tätigkeit. Also gibt es in keinem Lebensbereich einen
Unterschied zwischen Herrscher und Unter-tanen, insofern er keine
gesellschaftlichen oder finanziellen Vorteile hat. Vielmehr räumt der Islam
jedem Einzelnen in der Nation Befugnisse über den Herrscher ein, indem es ihnen
zusteht das Rechte zu gebieten und das Verwerfliche zu verbieten – mit einem
zeitgenössischen Ausdruck: Die Kritik und die Opposition, nämlich die politische
Freiheit – in Anwendung der Worte des Gesandten GOTTes (GOTT segne ihn und
schenke ihm Heil!) „Wer von euch etwas Verab scheungswürdiges sieht, der soll
es mit seiner Hand verändern und wenn er das nicht vermag, dann mit seiner
Zunge, und wenn er das nicht vermag, dann mit seinem Herzen und das ist das
wenigste an Glauben.“
Da es schwierig
ist, dass jeder Einzelne bei dem, was er falsch sieht, die Aufgabe der Kritik und Opposition
gegenüber dem Herrscher durchfüh-rt, hat der Islam diese Aufgabe zu einer
Kollektivpflicht gemacht. Das heisst, wer dieser Aufgabe gewachsen ist, darf
alle vertreten. Jeder, der bei sich die Fähigkeit dazu findet, muss also sein
Möglichstes tun um die Herrscher und Führer zu bessern und sie an einem
Anschlag auf die Indivi-dualrechte und allgemeinen Freiheiten zu hindern.
Unter dem
Schutz des islamischen Staates kann der Herrscher nichts als das durchführen,
was im ehrwürdigen Qurʾān steht und was der Gesandte GOTTes (GOTT segne ihn und
schenke ihm Heil!) empfohlen hat. Lässt ein Text mehrere Bedeutungen zu, muss
der Herrscher sich an die Meinung der Mehrheit der Gelehrten (nämlich die
Mehrheit im Legislativorgan, dem das Parlament in der modernen Zeit
entspricht) halten. Er darf nur nach Beratung derjenigen, die um ihn an Leuten
von Erfahrung und Rechts-kompetenz auf deren Fachgebieten sind, einen Beschluss
fassen oder eine Massnahme ergreifen Er muss die entgegengesetzte Meinung hören
und sie weitherzig erörtern sowie eine Atmosphäre der Sicherheit für den Oppo-nenten
schaffen, damit dieser das, was er hat, ohne Druck oder Anspielung auf Macht
und Folter äussern kann.
Dies sind die
Hauptpositionen, auf die die Herrschaft im Islam zu beruhen hat. Wer sich also
an sie hält, bringt den Geist den Islam zum Aus-druck und wendet diesen an.
Somit können die einladend Aufru-fenden den Nicht-Muslimen verdeutlichen, dass
dies das musterhafte Vorbild ist, das der Islam im Bereich der Herrschaft
sucht. Sie müssen es studieren und begreifen, wollen sie die Prinzipien des Islam
in diesem Bereich kennen lernen.
Entfremden sich
indes die Herrscher diesen Prinzipien, werden die Leute eine Abneigung gegen den
Islam empfinden, da der Nicht-Muslim sie als solche betrachtet, die den Islam
vertreten. Folglich ist das, was sie ausüben, die Praxis für die Lehre dieser
Religion.
Somit zeigt
sich die Bedeutung der Verpflichtung der Herrscher gegen-über den Prinzipien des
Islam, damit sie ein Vorbild sind, dessen Weg die Muslime beschreiten und durch
das die Nicht-Muslime rechtgeleitet werden.
ليست هناك تعليقات:
إرسال تعليق