Ein einziger Islam und vielfältige Visionen
Prof. Dr. M. Shama
Was ist
Islam? Und was ist islamisches Denken? Geht beides hinsichtlich Bedeutung
respektive Inhalt miteinander konform, oder gibt es zwi-schen beidem einen
Unter-schied? Und welcher Art ist dann dieser Unterschied? Geht es um einen
essenziellen oder formalen Unterschied? Und falls es zwischen beidem einen
Unterschied gibt, in welchem Ausmaß hat dann dieser Unterschied einen Einfluss
auf das Leben der Muslime und deren Verpflichtung gegenüber den Lehren deren Šarīʿah?
Dies sind
Fragen, hinsichtlich derer ich – nach meinem Wissensstand – sehe, dass sie zum
ersten Mal in der Historie der Muslime aufgeworfen werden, wie ich auch glaube,
dass viele Muslime – zu denen eine große Anzahl von Experten in islamischen
Studien gehört – sie missbilligen und meinen, dass sowohl ihr Aufwerfen als
auch die Beschäf-tigung mit dem Suchen nach einer Antwort auf sie nutzlos sind.
Dies ist ein eindeutiger Irrtum, in den wir schon seit langem geraten sind,
obwohl die Ereignisse in den menschlichen Gesellschaften den Forschern ihre
Untersuchung auferlegen. Darüber hinaus geben die kulturellen Gegebenheiten den
Muslimen – insbesondere den Gebil-deten unter ihnen – Anlass zu ihrem Anvisieren
mittels Untersuchung und Analyse sowie zu
ihrer Darlegung für die Menschen, so dass diese eventuell im Islam einen
Ausweg aus ihren ideologischen Krisen und ein Fanal finden, das sie zu einem
ihnen ihre Reli-gion bewahrenden Weg mit einer Erarbeitung von Verhältnissen für
das Auskosten des-sen rechtleitet, was die neuzeitliche Kultur hervorbringt.
Hinzu kommen noch der Bei-trag zu und das Kreieren von versch-iedenen
wissenschaftlichen Domänen, damit sie Fuß fassen in den Reihen der Kulturschaffenden und Fortschritt in allen
Bereichen verzeichnen.
Islam
bedeutet religiöses und weltliches Dasein sowie Anbetungshandlungen und
Arbeitsaktivitäten, und zwar für alle Menschen verschiedenster Hautfarben und
Ideen sowie zahlreicher Lebensordnungen und differenzierter Formen deren
sozialen Lage. Oder wie ihn die Experten beschreiben: Es handelt sich um eine
Religion, die für jede Zeit und jeden Ort geeignet ist. Wie ist Derartiges
möglich, wo doch die Epochen unter-schiedlich, die Heimatländer in viele
Richtungen auseinanderliegen und die Entwicklung in allen Lebensbereichen
fortschreitet, was dazu führt, dass die für eine Epoche passen-den Normen und
Systeme den Erfordernissen einer anderen Epoche nicht entsprechen? Darüber
hinaus unterscheiden sich Lebensstil und Lebenslage von einer Region zur
anderen. Ferner sind die Strukturen und Gegebenheiten gesellschaftlicher
Ordnungen nicht bei allen Völkern ein und dieselbe. So schwanken die
Lebensordnungen auf den Kontinenten. Ja es gibt sogar unter den Völkern auf
einem einzigen Kontinent eine klare Differenzierung hinsichtlich der
Gewohnheiten und Bräuche sowie eine tiefe Kluft hinsichtlich des Umgangs mit
dem, was und wer zu ihrem Umfeld gehört. Ist also der Islam – wobei die Lage
nun einmal so ist – für diese Völker insgesamt geeignet?
Einige
Opponenten gegen das Prinzip der Religionshegemonie über Lebensorientie-rung und
-planung in der Gesellschaft meinen, dass die Lebensweisen sich grundlegend
veränderten, so dass es schier unmöglich wurde, die Prinzipien und die Lehren
vergange-ner Epochen in der zeit-genössischen Gesellschaft in die Praxis
umzusetzen. Denn wie kann ein Mensch der Moderne mit einem Lebensstil umgehen,
der mit der Natur seines zeitgenössischen Lebens unvereinbar ist? Und wie steht
ein Mensch im 21. Jahrhundert unter der Kontrolle von Normen, die für die
Lebensplanung eines Menschen der ersten Jahrhunderte formuliert wurden, in
denen es Beduinenleben, Einfachheit und keinerlei Komplizie-rtheit gab?
Weiterhin wurde das, was in den primitiven Gesellschaften akzep-tabel war, beim
zeitgenösssichen Menschen nicht hinnehmbar. Ja es gibt sogar einige
Angelegenheiten, die zu den in der Vergangenheit auf keinerlei Skepsis
stoßenden ele-mentaren Grundwahrheiten gehörten, jetzt indes vom Intellekt
absolut abgelehnt werden und mit denen Gefühle und Empfindungen nicht
harmonieren, weil sie der gegenwärti-gen Kulturstufe nicht entsprechen, die
Erfordernisse des heutigen Lebens nicht erfüllen und mit den Gegebenheiten der
Zeit nicht im Einklang stehen, ja vielmehr Antipathie gegen sie auslösen und
sie nicht hinnehmbar machen.
Die
Lehren des Islam teilen sich in zwei Teile:
Der erste:
Das, dem man sich trotz unterschiedlicher Orte und Epochen verpflichten kann,
und das sind die Anbetungshandlungen. Denn man kann sie in der Steppe und Wüste
verrichten, wo das einfache Leben stattfindet, das nicht mit kulturellen
Gegeben-heiten belastet ist und an keinerlei Fortschritts- und
Aufwärtsentwicklungsansprüche gebunden ist. Daneben tritt auch zwischen dem,
der in einer sesshaften Gesellschaft lebt, und dem Verrichten dieser
Anbetungshandlungen kein Hindernis. Denn nach Meinung der Rechtsgelehrten gibt
es trotz seiner Gebunden-heit an kulturbedingte Verhaltenswei-sen Raum für deren
Verrichtung und für sein Festhalten an dem, was das Leben ihm dik-tiert – wie
auch immer die Kultur- und Fortschrittsstufe dieses Lebens.
Zweitens:
Was nun den weiteren Teil betrifft, und zwar den, der im Zusammenhang mit den
praktischen Dingen des Lebens steht, so erlaubt der Islam den Muslimen sich um
sie selbstständig zu bemühen. Und wenn die Situation ihre Entwicklung
erfordert, dann haben sie eben dazu das Recht, sofern sie sich dem allgemeinen
Rahmen verpflichten. Dies stellt sich dar als eine islamische Methode, die die
Aufgeschlossenheit gegenüber allen Ideologien sowie politischen und
wirtschaftlichen Erfahrungen in der Welt erlaubt und deren Aufgreifen in einer Weise
gestattet, die den Muslimen den Aufbruch
und Fortschritt sowie das Aufgreifen aller Elemente des wissenschaftlichen,
politischen und wirtschaftlichen Aufschwungs ermöglicht, solange darin ein
Interesse für die Gesell-schaft liegt, zumal zu den allgemeinen Grundsätzen in
der islamischen Rechtswissen-schaft Folgendes gehört: „Wo ein Interesse
vorliegt, da befindet sich die Šarīʿah Gotts.“ Da der
Lebensstil sich erneuert und die Lebensordnungen sich entwickeln, setzte Gott
die mit ihnen zusammenhängenden Rechtsvorschriften in Form von universalen
Regeln fest, die für alle Zeiten und Epochen geeignet sind und mit dem, was an
Stabilität respek-tive gelassener Zuversicht für das Leben wünschenswert sein
sollte, Schritt halten und mit den Phänomenen, an denen alle Rassen teilhaben,
im Einklang stehen. Was indes die Details und sekundären Begleitumstände
betrifft, so überließ Gott sie dem Intellekt des Menschen, der sie je nach
seiner Zeit und seinem Milieu auswählt und gemäß den Erfor-dernissen seiner ihm
vertrauten Verhältnisse erschließt, damit sie den Zeiterfordernissen in einer
Art entsprechen, dass sie gleichzeitig nicht von der vom Islam festgesetzten
Hauptlinie abweichen, die der Islam als eine universale Maxime, der alle
verpflichtet sind, respektive als eine Verfassung skizziert, die die Menschen
als Ausgangsgrundlage für die Gesetzgebung verwenden, aus der all das
hervorgeht, was sie beschließen und was sie an Richtlinien und Regeln
entwerfen.
Es reicht
ein einziger Blick auf das, womit sich
die Gesellschaften an bedeutsamen Themenkreisen beschäftigen. Dazu
gehören, um nur einige Beispiele zu nennen:
-
Beratung
im Herrschaftsbereich,
-
Kritikfreiheit
in allen Lebensbereichen,
-
Frage der
Gleichheit zwischen den Menschen auf Grundlage der Eigenleistung und nicht auf
Grundlage einer Rasse, einer Farbe oder irgendeines Aspektes des mate-riellen
Lebens und
-
Gerechtigkeit
beim Verteilen des Volksvermögens.
Es gibt
weitere fundamentale Angelegenheiten, auf denen das Leben der Gesell-schaf-ten
beruht und die einen äußerst weitreichenden Einfluss auf den
Aufwärtsentwick-lung der Völker und Gesellschaften ausüben. Der Standpunkt des
Islam dazu legt dar, dass er in ihnen – wie
auch in anderen hinsichtlich von Fundamentalfragen – den Lebens-gesetzen
entspricht. Denn er konzipierte konstante Regeln und überließ die Details und
Einzelheiten den Rechtsgelehrten, damit dies einen Raum für das Sich-Bemühen um
selbstständige Rechtsfindung sowie für Deduktion bildet, und zwar mit dem Ziel
gesetzlicher Formulierungen, die für deren Milieu und deren Epochen günstig
sind.
Wer die
Veränderungen im Universum und im Leben als einen Beweis für die Untaug-lichkeit
des Islam für das heutige Leben nimmt, da die Gegebenheiten der heutigen Zeit
sich gänzlich von dem unterscheiden, was man im sechsten nachchristlichen
Jahrhundert antraf, der kennt nicht die Charakteristika der islamischen
Rechtsvorschriften und beg-reift nicht deren Stützpfeiler; denn die
Elementarprinzipien im Leben der menschlichen Gesellschaften verändern sich
nicht. Und genau das ist es, was die islamische Šarīʿah Wort für Wort festlegte. Was
aber die Teilgebiete und Details betrifft, die zu den Verän-derungen passen, so
überließ sie der Islam dem Sich-Bemühen der Rechtsgelehrten und der
Gesetzgeber, die sie nach den Erfordernissen der Epoche und den
Milieuverhält-nissen formulieren, und verlieh somit die Eignung für das Anwenden
in allen Epochen und in unterschiedlichen Milieus.
Aus
diesem Grund bemühten sich die Gelehrten um Erklärung und Analyse der Texte des
ehrwürdigen Koran und um Deduktion dessen, was es in ihm an Normen gibt. Ferner
gaben sie sich in einem vorher nicht bekannten Ausmaß die größte Mühe
hinsichtlich der Überprüfung der Aussagen der Überlieferer über Gotts Gesandten
(Gott segne ihn und schenke ihm Heil!!) und somit entstanden zahlreiche
Disziplinen in den islamischen Wissenschaften: Koran-Wissenschaften und
-Auslegung, Hadith-Wissenschaften, die Wissenschaft der Überlieferung und der
auf Vernunft gestützten Erkenntnisse
(die Wissenschaft des Anfechtens und der Modifikation), scholastische
Theologie, das Rechtswesen und seine Grundlagen und andere islamische
Wissenschaften, die den ehrwürdigen Koran und die edle Propheten-Sunna als
Angelpunkt haben.
Da der
jeweilige Verstand beim Verstehen und Analysieren des Quellentextes
unter-schiedlich ist, kommen die Meinungen der Gelehrten vielfältig vor und
sind die aus einem einzigen Text deduzierten Normen zahlreich. Denn jeder
einzelne Rechtsgelehrte von ihnen führt seine Meinung in Anlehnung an
Überlieferungen an, die seiner Meinung nach authentisch sind, wohingegen andere
sie für nicht authentisch halten, wobei sie sich bei einer einzigen Rechtsfrage
auf einen der zahlreichen Aspekte der arabischen Gram-matik stützen. Also
bildeten sich viele Schulen in allen islamischen Wissenschaftsdiszip-linen:
In der
Koran-Exegese treten vielseitige Orientierungen hinsichtlich des Stützens auf
Sprache oder Ḥadīṯe zutage,
und eine dritte Gruppe neigt zur Exegese des Koran durch den Koran selbst. Es
gibt noch weitere Schulen, die in der islamischen Gesellschaft hinsichtlich der
Exegese des ehrwürdigen Koran erschienen, und zwar gemäß dem Geist des
herrschenden Denkens. Bis dann im modernen Zeitalter die sogenannte
wissenschaf-tliche Exegese des ehrwürdigen Koran erschien. Mit Wissenschaft ist
hier "empirische Wissenschaft" gemeint. Aus diesem Grund wurde eine
Disziplin dieser Orientierung unter dem Namen "wissenschaftlichse Wunder
des ehrwürdigen Koran" bekannt.
Auch in
der islamischen Rechtswissenschaft traten viele Rechtsschulen zutage. Bei den
Sunniten sind vier Rechtsschulen wohlbekannt: die Malikiten, Hanafiten,
Schafiiten und Hanbaliten. Darüber hinaus sind in zahlreichen Regionen der
islamischen Welt wei-tere Rechtsschulen berühmt, wie etwa die Zahiriten,
Dschafariten, Ibaditen und Zaiditen. Es gab noch andere Schulen, die ob des
Nicht-Vorhandenseins von Schülern, die über die Verbreitung der Meinungen ihrer
Lehrer wachen, in Vergessenheit gerieten, obwohl einige von ihnen bessere
Kenner der Rechtswissenschaft und Deduktion von Rechts-normen waren als viele
Rechtsgelehrte, deren Meinungen berühmt und unter ihren Namen bekannte Schulen
bildeten. Die Anhänger dieser Schulen verpflichteten sich nicht nur einer
einzigen Meinung bei allen Rechtsfragen. Oftmals differieren bei einigen Fragen
die Meinungen der Rechtsgelehrten in einer einzigen Rechtschule. So sind die
Meinungen innerhalb jeder Rechtsschule zahlreich.
In der
scholastischen Theologie, die die Fragen der Glaubenslehre erforscht, gab es
besonders starke Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich vieler Fragen zu ihr.
Zu den bekanntesten von ihnen gehören die Erschaffenheit des Koran und die
Eigenschaften Gotts. Dies ist so in allen islamischen Wissenschaftszweigen. Wir
finden – bei den mei-sten Fragen – keinen Konsensus hinsichtlich dessen, was die
Gelehrten an Rechts-nor-men aus den beiden Hauptquellen im Islam, nämlich dem
ehrwürdigen Koran und der edlen Sunna, deduzierten. Sie alle erzielten nämlich
ledig-lich in Folgendem Einigung:
a)
In den
Texten des ehrwürdigen Koran, nicht aber
in ihrer Exegese;
b)
In der
praktischen Sunna, wie etwa in der Art und Weise des rituellen Gebets, des
Fastens, der Pilgerfahrt usw. und
c)
In den
sicher auf den Propheten zurückführbaren Ḥadīṯen.
Folglich
definierte man den Islam dahingehend, dass er der Quellentext des Koran, die praktische Sunna und die sicher
auf den Propheten zurückführbaren Ḥadīṯe sowie das islamische Gedankengut darstellt. Er ist
das, was die Muslime über diese Quellentexte niederschrieben. Dementsprechend
ist derjenige, der einen Text des ehrwürdigen Koran leugnet – und sei es auch
nur ein einziger Buchstabe – oder ein
Element der in die praktischen Sunna zurückweist oder einen sicher auf den
Propheten zurückführbaren Ḥadīṯ bestreitet, kein Muslim.
Davon
abgesehen ist einem Muslim gestattet, dass er
·
Eine
Meinung wahrscheinlicher als eine andere hält
· Oder
einen nicht sicher auf den Propheten zurückführbaren ÍadÐ× ob seiner Meinung nach
mangelnder Beweiskraft für dessen Authentizität zurückweist
· Oder eine
Rechtsnorm deduziert, die von einer bei den Muslimen auf Grund frühe-rer
Bemühungen gängigen Rechtsnorm abweicht, solange sich die neue Meinung auf
authetische Beweise stützt und zum ehrwürdigen Koran nicht in einer Form in
Widerspruch steht, in der es keinerlei Meinungsverschiedenheit gibt.
Dies darf
jedoch nicht zum Auftreten von Konflikten zwischen den verschiedenen
Rechtsschulen – oder vielmehr unter einigen von deren Anhängern – ob deren Meinun-gsverschiedenheiten führen, und zwar
nicht nur durch einen Stil des gegenseitigen Beschimpfens mittels Worten,
Beweisen und Belegen, vielmehr kann die Angelegenheit eventuell auch zu
gegenseitige Beschimpfung durch den Austausch von verletzenden Ausdrücken und
zum Zurückgreifen auf Machtausübung zwecks exemplarischer Bestra-fung der
Opponenten führen?
Ja, es
wurden vielmals Diskussionsrunden abgehalten, bei denen jeder seine Meinung
kundtut, und zwar unter Anführen von Beweisen und Überlieferungen, die seine
Meinu-ng bekräftigen, sowie mittels Widerlegung der widersprüchlichen Meinung
und Entkrä-ften deren Belege und Beweise. Zuweilen führte die Angelegenheit
sogar zu einem Beschreiten von Wegen, die zum Zufügen von Körperverletzung bei
den Opponenten führte, wie es etwa bei der Frage der Erschaffenheit des Koran
der Fall war. Die Mutazi-liten – und sie sind diejenigen, die die Meinung vertreten,
dass der Koran erschaffen und nicht ewig ist – baten Al-Mamun, den damaligen
Herrscher der Gläubigen, um Hilfe, um die Gelehrten, die die Meinung vertraten,
dass der Koran ewig ist, zur Abkehr von deren Meinung zu zwingen und sich zur
Schule der Mutaziliten zu bekennen, nämlich zur Aussage, dass der Koran
erschaffen ist. Al-Maʾmun entsprach ihrer Bitte, und zwar in einem Grad, dass er
peinigte und ins Gefängnis warf, wer jenes zurückwies. Und zu den Berühmtesten,
die jenes zurückwiesen, gehört Ahmad Ibn Ḥanbal, der trotz Peinigung und
Gefängnis auf seiner Meinung beharrte.
Hierbei
handelt es sich um Einzelvorkommnisse, die geschahen – trotz der Erklärun-gen
der Imame dieser Rechtsschulen, dass ihre Exegese der Texte des ehrwürdigen
Koran und die von ihnen deduzierten Normen ihrer Meinung nach zwar richtig
seien, möglicherweise aber auch nicht richtig seien. Es ist auch denkbar, dass
die Meinung derer, die anderer Meinung sind als sie, richtig ist, auch wenn sie
nach ihrer Auslegung diese Meinung für falsch ansehen. Aš-Šāfiʿī (möge Gott
an ihm Wohlgefallen finden!) sagte: "Meine Meinung besteht zu Recht,
möglicherweise zu Unrecht; und die Meinung eines anderen außer mir besteht zu
Unrecht, möglicherweise zu Recht." Darüber hinaus waren diese Imame hinsichtlich
der von ihnen erzielten Meinungen nicht fanatisch. Ja, sie nahmen sogar von
ihnen Abstand, falls es ihnen erschien, dass die Meinung der Opponenten die zu
Recht bestehende war. Von Abu Hanifa ist überliefert, dass dieser sagte:
"Das ist das Beste, was wir erzielten. Kommt jemand zu uns mit etwas
Besserem, nehmen wir es an." Und Asch-Schafii sagte: "Wenn sich der Ḥadīṯ als
authentisch erweist, dann lass meine Meinung außer Acht!"
So war
das allgemeine Gepräge bei den verschiedenen Rechtsschulen. Fanatismus und
Engstirnigkeit kamen jedoch erst in einer späteren Zeit vor, in der das
islamische Denken auf ein niedrigeres Niveau sank. So maßten sich
Pseudowissenschaftler und solche, die mit den Regeln der Deduktion nur wenig
vertraut sind, das Wissen an. Diese Leute kennen nur in den seltensten Fällen
das Forschungsinstrumentarium, das sie dazu quali-fizieren würde ihre Meinung
auf diesem Gebiet kundzutun. Ja, diese Angelegenheit des wissenschaftlichen
Verfalls reichte sogar bis an die Grenze des Erlassens einer Fatwa über das
Nichterlaubtsein des Betens hinter einem Imam, der zu einer anderen
Rechts-schule gehört, und über das Festhalten an den festen Regeln der eigenen
Rechtsschule unter Zurückweisen der Gegenmeinung. Es kam sogar so weit, dass
man die Schulen betrachtet, als ob sie unterschiedliche Religionen seien,
obwohl die Gelehrten der Rechtsschulen – die in der Wissenschaft beschlagen
waren, den Geist des Islam sowie dessen Philosophie verstanden und die Gründe
der Meinungsverschiedenheit und deren Sinn begriffen – sahen, dass die Natur
und Struktur der Quellentexte die Meinungs-verschiedenheit diktiert und es sich
hierbei um etwas Unvermeidliches handelt. Aus diesem Grund betrachteten sie die
Meinungen ihrer Opponenten mit einem Blick der Toleranz und deren Akzeptanz.
Sie beschäftigten sich sogar mit ihnen und wandten sie zuweilen an. So ist
überliefert, dass der hanafitische Rechtsgelehrte Al-Qadi Abu Issam Al-Ghamiri
an der Tür der Moschee des schafiitischen Rechtsgelehrten Al-Qaffāl vorbei-kam,
während der Gebetsrufer zum Abendgebet rief. Da stieg er vom seinem Reittier ab
und betrat die Moschee. Als Al-Qaffal ihn nun sah, gab er dem Gebetsrufer die
Anwei-sung, den Ruf zum unmittelbar bevorstehenden Gebetsbeginn zweifach auszuführen – entsprechend der
hanafitischen Rechtschule – und ließ
Al-Qādī Abu ʿIssam als Vorbeter den Vortritt. Al-Qāḍī betete also vor und sprach
die Basmala hörbar aus und betete somit gemäß den schafiitischen Riten in
seinem Gebet vor. Dies wurde von beiden als Eindä-mmen des Falles der
Meinungsverschiedenheit in der angewandten Pflichtenlehre unter-nommen. Hier
ließ der schafiitische Rechtsgelehrte Al-Qaffāl sogar von seiner Rechts-schule
hinsichtlich des einzelnen Rufes zum unmittelbaren Gebetsbeginn ab und gab
seinem Gebetsrufer die Anweisung zum zweifachen Ruf zum unmittelbar bevorstehen-den
Gebetsbeginn – entsprechend der hanafitischen Rechtschule – und
ließ dem ḥanafī-tischen Al-Qadi den Vortritt, den Leuten in einer Moschee
vorzubeten, in der die Rechts-schule der meisten Betenden die schafiitische
Rechtsschule bildete, wobei deren Imam ein großer Rechts-gelehrter unter den
schafiitischen Rechtsgelehrten war. Al-Qāḍi hatte kein geringeres Wissen in der
Rechtslehre, insofern als er sogar von seiner Rechtsschule abließ und die Rechtslehre
der Schafiiten hinsichtlich des hörbaren Aussprechens der Basmala und des
Wortes Amen und anderer Angelegenheiten, bei denen die Hanafiten eine andere
Meinung als die Schafiiten haben, anwandte. Dies gilt als Belehrung sowie als
Beweis für die Toleranz unter den Rechtsschulen.[1]
Vertiefend für das, was wir bereits oben feststellten, können wir sagen, dass
das, was die Muslime über Koran und Sunna niedergeschrieben und aus beidem an
Rechtsnormen und Auffassungen erschlos-sen haben, ein menschliches Produkt
darstellt, von dem ein Muslim das auswählen darf, was für seine Zeit passt und
mit der Ordnung seines Lebens im Einklang steht.
Suggerieren
nun nicht die Meinungsverschiedenheit der Gelehrten in einer einzigen Frage und
das Festhalten der Bewohner einer jeden Region an einer Rechtsschule unter
Ausschluss der anderen, wobei es dazu gekommen ist, dass jedes der islamischen
Länder seine Rechtsschule hat, mit deren Austausch es nicht einverstanden ist,
einigen Nicht-Muslimen, dass der Islam nicht in allen islamischen Ländern
einheitlich ist, so dass es etwa einen Islam in Saudi-Arabien gibt, der
unterschiedlich zu dem in Ägypten ist und sich konsequenterweise
seinerseits hinsichtlich seines Verständnisses in weiteren Regio-nen
unterscheidet?
Dies
stellt eventuell tatsächlich das Verständnis vom Islam bei jemandem dar, der
den eigentlichen Sinn des Islam und dessen Ziele nicht begreift. Da der Islam
für alle Leute trotz Unterschiedlichkeit deren Milieus und Lebensordnungen
gilt, zumal die Lebens-umstände in jeder Epoche und in jeder Region
unterschiedlich sind und die Ereignisse im Laufe der Tage und Jahre immer
wieder in neuer Form auftauchen und sich immer mehr verästeln, muss die Šarīʿah all
dem entsprechen, dessen ein Individuum bedarf und was das Leben der
Gesellschaften erfordert. Deshalb kam all das, was mit diesen Veränderun-gen
zusammenhängt, in Form genereller Prinzipien und Regeln, die für alle
menschli-chen Gesell-schaften passen und deren Umsetzung in die Praxis ebenfalls
in allen Regio-nen der Erde trotz der Verschiedenheit des Lebensstils deren Bewohner
und der Differen-ziertheit deren Lebensweise möglich ist. Dann überließ der
Islam die angewandte Pflich-tenlehre – und sie bildet den Schauplatz der
Meinungsverschiedenheit unter den Bewoh-nern der verschiedenen Gebiete – sowie
die Behandlung dessen, was an Ereignissen neu eintritt – und sie stellen eine
der Dringlichkeiten des menschlichen Lebens dar – den Rechtsgelehrten, die ihre
Rechtsnormen aus allgemeinen Grundregeln in Analogie oder Übertragen auf
Sonderfälle respektive Übertragen vom Absoluten auf das Zweckgebun-dene deduzieren oder aus Anderem an
Deduktionsmethoden für Rechtsnormen inner-halb des allgemeinen Rahmens der
islamischen Normen.
Daher
wird die islamische Šarīʿah für
alle menschlichen Gesellschaften in allen Regionen und in allen Epochen
geeignet, da bei allen Menschen trotz der Unterschied-lichkeit deren Lebensstile
und Lebensformen das Umsetzen in die Praxis möglich ist. Denn die
Unterschiedlichkeit zwischen den
Gesellschaften besteht ja lediglich in Sekun-därdingen. Was aber das
primäre Gestaltung des Lebens betrifft, so sind alle Menschen gleich. Aus
diesem Grund kam die Šarīʿah Gotts
hinsichtlich dessen, was im Zusammen-hang mit diesem Teil steht, über den die
Menschen Keine Meinungsverschiedenheit haben, präzise und konkret. Was
hingegen die Einzelheiten der angewandten Pflichten-lehre anbelangt, auf die
sich ob der Unterschiedlichkeit der Regionen oder ständigen Modernisierung der
Zeit und Aufeinanderfolge der Epochen die Änderungen erstrecken, so wurde die
Angelegenheit deren Deduktion den Rechtsgelehrten unter der Bedingung
überlassen, dass sie in den allgemeinen Rahmen der islamischen Gesetzgebung
passen.
Die
Meinungsverschiedenheit in dieser Sicht ist positiv und nicht negativ, weil sie
die Realisierung des Prinzips der Globalisierung im Islam unterstützt und der
Islam es somit allen Menschen auf Erden ermöglicht sich zu ihm ohne sich zu genieren zu bekennen und sich
dem Praktizieren seiner Rechtsvorschriften in Unbeschwertheit und Leichtig-keit
zu verpflichten, ohne dass er ein Hindernis auf dem Weg des Fortschritts und
der Weiterentwicklung errichtet. Wer nun die Eignung des Islam für die heutige
Zeit unter dem Vorwand negiert, dass sich die Lebensstile grundlegend verändert
haben, so dass das Praktizieren der Prinzipien und Lehren der früheren Epochen
in der zeitgenössischen Gesellschaft unmöglich wurde, fragt, wie sich denn ein
Mensch in der modernen Zeit in einer Weise verhalten kann, die mit der Natur
seines zeitgenössischen Lebens unverein-bar ist? und wie ein Mensch des 21.
Jahrhunderts sich den Rechtsnormen unterwirft, die für die Lebensplanung eines
Menschen der ersten Jahrhunderte angesichts des Wüsten-lebens, der Schlichtheit
und der Unkompliziertheit geschaffen wurden? Hinzu
kommt, dass das, was in den primitiven Gesellschaften annehmbar war, für den
zeitgenössischen Menschen unakzeptabel wurde. Einige Angelegenheiten, die als
unbestrittene Grund-wahrheiten galten und früher keinerlei Zweifel zuließen,
werden sogar zur Zeit vom Intellekt ganz und gar abgelehnt und harmonieren
nicht mit den Gefühlen und Empfin-dungen, da sie nicht mit der heutigen
Kulturebene korrespondieren und weder den Erfordernissen des zeitgenössischen
Lebens entsprechen noch mit den Gegebenheiten der Zeit übereinstimmen, sondern
auf Abneigung stoßen und nicht gelitten werden.
Das ist
nicht korrekt. Denn sämtliche Angelegenheiten im Islam sind die Grundregeln der
Gesetzgebung, die für alle Völker brauchbar sind und den Bedürfnissen aller
men-schlichen Gruppierungen trotz ihrer unterschiedlichen Farben und Rassen
entsprechen sowie zu jeder Zeit und in jedem Milieu zweckmäßig sind, da alle
Menschen sie als Grundlage nehmen, aus der sich Rechtsnormen für alle
Angelegenheiten und Lösungen für alle Probleme ergeben, mit denen Individuum
und Kollektiv konfrontiert werden. Diese
Elementarprinzipien der Rechtsvorschriften stellen also eine Grundlage für das
Sich-Bemühen um eine selbstständige Rechtsfindung auf dem Gebiet der
schariatischen Normen dar, demgemäß sich die Rechtsschulen bildeten. Diese sind
somit reich an Rechtsnormen und Herleitungen, zu denen Hypothesen gehören,
deren Geschehen in künftigen Zeiten erwartet wird.
Dieses
Verhalten im Gesetzgebungsbereich gilt als Beweis für die Flexibilität der
islamischen Rechtswissenschaft und deren Eignung für die Konfrontation mit den
Ereig-nissen, die kraft der Dynamik der Bewegung in den verschiedenen
Lebensbereichen zutage treten, sowie als wesentliches Element im
Globalisierungskonzept des Islam.
Im
ehrwürdigen Koran stehen viele Verse, die die gesamten Fälle in den
mannigfachen Lebensbereichen skizzieren. Als Beispiel für sie erwähnen wir die
folgenden Worte des Erhabenen:
Und deren Angelegenheit gegenseitige Beratung ist, .." (Sure 42, Vers 38) "
Dieser
Fall zeigt deutlich, dass der Islam dazu anhält, dass die Angelegenheit in der
Gesellschaft keine diktatorische ist, sondern vielmehr auf der Grundlage der
Beratung beruhen soll, wobei er für diese Beratung keine bestimmte Form
festlegte, sondern sie den Umständen einer jeden Epoche und der Natur eines
jeden Milieus überließ.
Und
ebenso konkretisierte der Islam in den Worten des Erhabenen
Sprich: "Wer hat den Schmuck Gotts verboten, den ER für SEINE anbetend Dienenden hervorgebracht, und die guten Dinge vom Lebens-unterhalt?" Sprich: "Sie sind für diejenigen, die im diesseitigen Le ben glauben ..." 32 (Sure 7, Vers
keine
Arten des Schmucks oder dessen Form und Aussehen. Er überließ dies vielmehr
den Erfordernissen der Zeit und des Orts, voraus-gesetzt, dass darin weder das Begehen
einer Sünde noch das Zu-sich-Nehmen von etwas
widerwärtig Schlechtem liegen – wie es in den folge-nden Worten des
Erhabenen steht:
... er
gewährt ihnen die guten Dinge und verwehrt ihnen die wider-wärtigen ... (Sure 7, Vers 157)
Dies und
Ähnliches – und das findet sich in der islamischen Gesetzgebung häufig – sind
universale Angelegenheiten, die die den Bestand der Gesellschaft wahrende
Grund-lage festsetzten und den Rahmen bestimmten, innerhalb dessen sich die
Rechtsgelehrten und die Gesetzgeber zum Konfrontieren der Erfordernisse der
Zeit und des Milieus bewegen, so dass die islamische Religion kein Hindernis
auf dem Weg des Fortschritts und der Weiterentwicklung errichtet.
Die
negative Wirkung der Meinungsverschiedenheit der Gelehrten bei der Deduktion
der Rechtsnormen beschränkt sich nicht nur auf die Nicht-Muslime, sondern zeigt
sich auch bei den Muslimen, insbesondere bei denen, die über kein
wissenschaftliches Rüst-zeug für das hinreichende Verstehen der Philosophie
dieses Phänomens verfügen. Ja, die breite Masse unter den Muslimen ist sogar
für diese Meinungsverschiedenheit nicht empfänglich, da sich hinsichtlich einer
derartigen Akzeptanz bei ihnen Verwirrung einstellt, so dass sie in
Ratlosigkeit stürzen, wenn sie um eine Fatwa bei irgendeiner Frage bitten. Ein
Fachmann wird für sie eine Fatwa gemäß einer Lehrmeinung erlassen. Falls sie
dann einen anderen Fachmann fragen, wird er eine von der ersten Fatwa
abweichende Meinung offerieren. Und eventuell hören sie eine dritte Meinung von
einer dritten Quelle und so weiter – etwas, was sie betroffen werden lässt. Sie
werden sich deshalb fragen, welche dieser mehrfachen Meinungen richtig sei,
damit sie ihr folgen, und welche von ihnen falsch sei, damit sie sie
zurückweisen.
Dies trat
in der islamischen Gesellschaft ob der sich überall in der islamischen Welt
ausbreitenden und in diese tief eindringenden religiösen Unwissenheit offen
zutage, so dass die Angelegenheit immenser Bemühungen zwecks Erklärung dieses
Aspektes im islamischen Denken bedarf – und auch der Darlegung, dass es keinen
Mechanismus für das Klarstellen gibt, dass eine dieser Meinungen absolut
richtig und die andere absolut falsch ist, da sich jeder Gelehrte bei der Deduktion
einer Rechtsnorm, die er ins Auge fasst, auf in der wissenschaftlichen
Forschung befindliche unbestrittene Grundlagen stützt. Als Beispiel dafür
dienen die folgenden Worte Gotts:
O ihr,
die glauben! Wenn ihr euch zum rituellen Gebet anschickt, so reinigt euer
Gesi-cht und eure Arme bis zu den Ellbogen und streicht über euren Kopf!... (Sure 5, Vers 6)
Hinsichtlich
der Art und Weise des Streichens über den Kopf haben die Gelehrten drei
unterschiedliche Meinungen:
Die erste
Meinung: Einige sehen, dass das Streichen über den ganzen
Kopf bei der rituellen Waschung eine schariatische Pflicht sei, und zwar mit
der Beweisführung, dass die arabische
Präposition بـِ (= über) am
Wort برؤوسـكم (=
über euren Kopf) eine zusätzliche, die Bedeutung verstärkende sei – was eine
linguistische Regel darstellt – und der Sinn der Worte "und streicht über
euren Kopf" sei, das heißt den ganzen Kopf.
Die
zweite Meinung: Einige sehen, dass die schariatische Pflicht
lediglich im Strei-chen über einen Teil des Kopfes bestehe, weil die arabische
Präposition بـِ (=
über) am Wort برؤوسـكم (=
über euren Kopf) einen Teilbereich
ausdrückt, wobei der mindeste Teil ein Viertel ist.
Die
dritte Meinung entspricht der zweiten Meinung hinsichtlich dessen,
dass zur schariatischen Pflicht das Streichen lediglich über einen Teil des
Kopfes gehört. Sie unterscheidet sich indes von der zweiten hin-sichtlich des
Festsetzens des Umfangs dieses Teils. Denn es handelt sich um eine Meinung,
dass man linguistisch gesehen das arabische Wort بعض (= Teil) auf den kleinsten Teil eines Ganzen anwendet.
Dem-entsprechend reicht das Streichen über ein einziges Haar bei den
schariatischen Pflich-ten für das Streichen über den Kopf bei der rituellen
Waschung, da ja ein Haar – irgend-ein Haar – einen Teil des Kopfes darstellt.
Kann jemand
sicher entscheiden, dass eine dieser drei Meinungen hundertprozentig richtig
ist und die beiden anderen Meinungen absolut falsch sind?
Niemand
riskiert es dies freimütig zu sagen. Sogar der Vertreter einer Meinung selbst
behauptet nicht, dass seine Meinung die richtige und die anderen außer ihm
falsch seien. Diese Angelegenheit liegt also im Wahrscheinlichkeitsbereich. Aš-ŠāfiʿĪ sagte:
"Meine Meinung besteht zu Recht, möglicherweise zu Unrecht; und die
Meinung eines anderen außer mir besteht zu Unrecht, möglicherweise zu
Recht."
Des
Weiteren enthält die Vielzahl der Meinungen Barmherzigkeit für die Muslime, was
wiederum zu den Erfordernissen ihres Lebens gehört. Ein Mensch gerät eventuell
in eine Situation, in der er das Streichen über den ganzen Kopf nicht vermag.
So kann er auf die andere Meinung zurückgreifen. Vielleicht sehen einige
Leute, dass das Streichen über ein einziges Haar einfach in die Praxis
umzusetzen ist, und sie sich mithin daran halten. Und aus diesem Grund ist in
Berichten überliefert, dass ihre Meinungsverschie-denheit – also die der
Rechtsgelehrten – Barmherzig-keit, das heißt eine Erleichterung für die Muslime
darstellt, damit sie nicht in eine schwierige Lage geraten, falls alle
Rechtsgelehrten sich auf eine einhellige Meinung festlegten, die für die
Situation einiger Leute nicht geeignet ist oder den Erfordernissen der Zeit
nicht entspricht.
Kurz
gesagt: Der Islam stellt den Text des ehrwürdigen Koran sowie die praktische
Sunna und den Mutawatir-Ḥadīṯ dar. Und genau das ist es, worüber die Muslime einen
Konsensus erreichten, wobei dies die Grundregel für alle Meinungen und
Denkrichtun-gen in allen islamischen Gebie-ten ist. Dies bildet gleichsam eine
Verfassung, von deren Texten kein Gesetz abweicht – und ihnen schon gar nicht
widerspricht –, und zwar trotz deren
Verschiedenheit, Vielzahl und Verästelung. Die islamische Denkweise mit ihren
Rechtsschulen und den Haltungen ihrer Gelehrten hinsichtlich der Akzeptanz von
Propheten-Ḥadīṯen außer
den Mutawatir-Ḥadīṯen sowie
der Vielzahl ihrer Schulen bezüglich der Exegese des ehrwürdigen Koran und der
Vielfalt ihrer philosophischen Orientierungen ist eine vielfältige menschliche
Leistung, die den Bedürfnissen aller menschlichen Gesellschaften entspricht
und in ihren Ansichten mit dem im Einklang steht, dessen der Kurs des
kulturellen Fortschritts bedarf. Somit gilt für das islamische Denken
Folgendes:
·
Es
entkräftet den Beweis desjenigen, der entsprechend der Anzahl von Staaten und
Metropolen eine Multiplizität des Islam sieht.
·
Es
liefert auch den Beweis, dass er – nämlich der Islam – sich für alle Menschen
eignet, wie unterschiedlich auch immer deren Lebensordnungen, wie mannigfach
auch immer der Grad deren kulturellen Fortschritts und wie aufeinanderfolgend
auch immer die Zeiten und die Epochen bei ihnen sein mögen.
·
Es zeigt
ferner klar und deutlich, dass die Meinungen der Gelehrten nicht unantastbar
sind und es durchaus zulässig ist ihnen zu widersprechen. Daher ist es jedem
Muslim gestattet einer bestimmten Meinung unter Ausschluss einer anderen zu
folgen, auch wenn es sich um eine von allen islamischen Rechtsschulen
abwei-chenden Meinung handelt, solange sie in irgendeiner Weise der wissenschaftli-chen
Forschung dem Text des ehrwürdigen Koran entspricht.
Falls es
einen einzigen Quellentext gibt und die Exegese zahlreich ist – das heißt, der
Text ist hinsichtlich der Bedeutung hypothetisch –, ergeben sich infolgedessen
aus diesem Text zahlreiche zu deduzierende Rechtsnormen, wie etwa:
-
Ist es
also gestattet einem um eine Fatwa Bittenden mit irgendeiner der zahlreichen
Meinungen zu antworten?
-
Und ist
es einer jeglichen Person, die lediglich eine dieser zahlreichen Rechtsnormen
kennt – und der anderen Meinungen unkundig ist –, gestattet sich selbst als
Mufti einzuschätzen, der vorgibt, dass diese Meinung, die er kennt, die
richtige sei, der ein Muslim, wie auch immer die Umstände und Verhältnisse
seien, nicht zuwiderhandeln darf?
-
Ist
weiterhin das Erstellen einer Fatwa in den Massenmedien, und besonders im
Fernsehen, trotz Unterschiedlichkeit der Verhältnisse der Leute korrekt?
Die
Beantwortung dieser Fragen unterscheidet sich entsprechend der
Unterschiedlich-keit deren Beteiligten und deren Begleitumständen:
-
Hängt die
Angelegenheit mit dem Lernen respektive Lehren zusa-mmen, soll der Lehrer
seinen Studierenden – insbesondere auf Universitätsebene – all das erklä-ren,
was in der Exegese des Quellentextes gesagt wird und was aus diesem an Normen
mittels unterschiedlicher Belege, auf
die sich jede Schule stützt, sowie an Richtung, die jeder Gelehrte zwecks
Beweisführung für die Richtigkeit seiner Meinung einschlug, deduziert wurde.
Er soll sich nicht auf das beschränken, was er selbst als richtig betrachtet,
wie sich auch der Studierende nicht nur
mit dem Studieren seiner Rechtsschule begnügen soll, denn er bildet sich ja
für das Erteilen von Fatwas heran. Die Situation des um eine Fatwa Bittenden
ist eventuell derart, dass diesem die praktische Umsetzung der Meinung der
Rechtsschule des Studie-renden nicht hilft, da zu ihm möglicherweise die
Rechtsnorm passt, die ein anderer Gelehrter von einer anderen Schule als der
Rechtsschule des Studierenden dedu-zierte. Deshalb erfordert es die Weisheit –
wie auch die Philosophie des islami-schen Denkens –, dass sich beide, nämlich
Lehrer und Lernender, nicht auf die Meinungen ihrer jeweiligen Rechtsschule
oder auf das beschränken, was jeder von den beiden als richtig betrachtet.
-
Der eine
Fatwa Erteilende muss die Situation des um eine Fatwa Bittenden berück-sichtigen
und somit diesem die zu dessen Lage passende Antwort geben, auch wenn er im
Vergleich zu ihr eine andere Meinung als die überwiegende betrachtet. Aš-Šāfiʿī änderte,
als er nach Ägypten kam, einige Meinungen, auf Grund derer er im Irak Fatwas
erlassen hatte. Als er danach gefragt wurde, legte er den Frage-stellern dar,
dass der Grund für die Verschiedenheit bei den Fatwas die Unter-schiedlichkeit
des Lebens beider Völker sei. Seine im Irak erlassene Fatwas wur-den als die
frühere Rechtschule und die zu diesen differenten, in Ägypten erlas-senen Fatwas
als die spätere Rechtsschule bekannt. Dementsprechend ist nicht jeder, der die
vielzähligen Rechtsnormen in der islamischen Rechtslehre kennt, in der Lage
Fatwas zu erlassen. Er muss vielmehr die Fähigkeit besitzen die Unter-schiedlichkeit
zwischen den Menschen zu erkennen, egal ob es dabei um die Ebene von Individuen
oder um den Rahmen der Sitten und Bräuche der Völker geht.
-
Aus einer
Fatwa per Massenmedien – und insbesondere im Fernsehen –ergeben sich eventuell
negative Folgen, die zur Antipathie von Nicht-Muslimen gegen den Islam führen
und die Zerrüttung familiärer Beziehungen und das Zerschneiden die Bande der
Symp-athie und Liebe zwischen Blutverwandten verursachen. Zur Dar-legung dieses
Bildes führen wir folgendes Beispiel an: Die Gelehrten sind unter-schiedlicher
Meinung hinsichtlich der Zulässigkeit der Eheschließung einer Frau ohne deren
Sachwalter. Die Šāfiʿīten, Mālikīten und Ḥanbalīten
sagen: Dies ist für eine Frau nicht zulässig, da ihr Sachwalter sie bei der
Eheschließung vertreten muss, wobei sie dabei die folgende Aussage des
Gesandten Gotts (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!!) als Beweis dafür
anführen: "Es gibt keine Eheschließung ohne einen Sachwalter und zwei Zeugen."
Abu Ḥanīfah hat
indes hierbei eine widersprüchliche Meinung, insofern als er der Frau erlaubt,
ihre Ehe allein ohne deren Sachwalter abzuschließen, falls sie erwachsen ist
und sich im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte befindet. Er erwidert auf die
Beweisführung des obigen Ḥadīṯes, dass damit die nicht erwachsene Frau gemeint ist.
Falls also ein Gelehrter eine Fatwa gemäß der Meinung der drei Rechtsschulen in
einem Massenmedium erlässt und jemand aus einem Volk, in dem die Frau hohe
Posten bekleidet und Verträge über Millionen – ja sogar über Milliarden –
Dollar abschließt, ihn hört – oder seine Fatwa liest –, wird ihn diese Fatwa
vor den Kopf stoßen. Wie kann nämlich eine Frau – so wird er sich fragen – zu
erwähnten Handlungen fähig und dann nicht in der Lage sein einen Vertrag
abzuschließen, der sie selbst betrifft und ihre Zukunft bestimmt. Diese Frage
lässt ihn eventuell vom Denken über den Islam absehen, wenn bei ihm die
Intention zu Studium dieser Religion vorlag. Mithin wird er dadurch von einem
Weg vertrieben, der ihn möglicherweise zur Annahme des Islam geführt hätte. Und
falls der erwähnte Erteilende der Fatwa per Massenmedium eine Fatwa gemäß der
Meinung von Abu Ḥanīfah
erlässt und ihn ein Mädchen in einer konservativen Gesellschaft hört – oder
seine Fatwa liest –, so dass es seinen eigenen Ehevertrag ohne einen Sachwalter
abschließt, wird dies eine Auswirkung auf die Lage der Familie in der
Gesellschaft haben, da dies in einer konservativen Gesellschaft als Unehre für
die Familie des Mädchens und in deren Milieu als ein Schandfleck betrachtet
wird, derentwegen ihr die Nachbarn und die Leute der Stadt – und insbesondere
Dorfbewohner– Vorwürfe machen. Somit muss die Fatwa personengebunden sein. Für
einen Konservativen soll also eine Fatwa gemäß der Meinung der drei
Rechtsschulen erteilt werden und für Andere wird eine Fatwa erlassen, die zum
Grad deren Kultur passt und mit der Lage der Frau in deren Leben in Einklang
steht. Die Muslime sollen demge-mäß ihre religiösen Fragen an die Imame ihrer
sowohl in allen Bezirken der Städte, in den Dörfern und Weilern befindlichen
Moscheen richten. Denn dies gilt als die sicherste Methode für die Verbreitung
der Religion Gotts und für das Kennen-lernen der Rechtsnormen der islamischen Šarīʿah.
-
Was das
Maß voll macht und dieses Phänomen hervorruft -nämlich die hohe Anzahl von
Ignoranten und Pseudogelehrten auf dem Gebiet des Predigens und Unterweisens –
besteht darin, dass der Mensch von Natur aus dazu neigt, dass er im Mittelpunkt
des Interesses der Leute seines Umfeldes steht und diese auf ihn bewundernd und
überwältigt blicken, sich in Hochachtung und voll des Lobes um ihn scharen,
seinen Anweisungen Folge leisten um sich beliebt zu machen und Beifall zu
zollen und ihm an führender Rolle zuzuschreiben, was seine zentrale Stellung
unter ihnen festigt und seinen Einfluss im weitesten Umkreis ihrer Gesellschaft
verst-ärkt. Aus diesem Grund sehen wir viele Leute, die jedweden Weg
beschreiten, von dem sie glauben, dass er sie zu diesem Rang unter den Leuten
gelangen lässt, und sich mit sozialen Aktivitäten in einer Weise beschäf-tigen,
mittels derer sie Sympathien unter ihren Mitbürgern erwerben und Einfluss auf
deren Geist und Denkvermögen nehmen.
Die
Bereiche in den menschlichen Gesellschaften sind – hinsichtlich der
Beeinflus-sung der Leute – entsprechend der Unterschiedlichkeit der Bindung an
sie unterschied-lich. Je mehr die Leute an einen bestimmten Bereich gebunden
sind, desto mehr ist dieser Bereich eins der Mittel um in ihre Herzen und
Seelen zu gelangen. In dem Maß, in dem seine Beein-flussung Allgemeingut wird,
so dass seine Auswirkungen mit sämtli-chen Individuen der Gesellschaft Fühlung
nehmen, ist er tauglicher und nützlicher zum Erreichen einer angesehenen
Position als der, der sich einer bestimmten Gesellschafts-schicht unter
Ausschluss der anderen widmet. Denn wer die Allgemeinheit ins Auge fasst, der
spricht jedes einzelne Individuum der Gemeinschaft an. Wer sich indes auf ein
Problem beschränkt, das lediglich für eine bestimmte Schicht wichtig ist,
dessen Einflus-nahme erstreckt sich ausschließlich auf diejenigen, die für
dieses Problem Interesse haben.
Betrachten
wir unter diesem Blickwinkel die Interessen der Leute, finden wir, dass die
meisten Fragen mit Religion und Politik verbunden sind, da jeder Mensch
unter den Einfluss politischer Entscheidungen gerät, deren Folgen ihn betreffen
– sind sie gut, ist die Folge gut, sind sie schlecht, ist die Folge schlecht –
und die sein Arbeits-, Wirt-schafts- und Sozialleben dadurch beeinflussen, egal
ob dies in einer indirekten oder direkten Weise geschieht. Denn seine
Lebensordnung hängt ja von Art und Stil des politischen Systems ab, in dessen
Schatten er lebt. Und daher interessiert sich jedes Individuum in der
Gesellschaft für diesen Aspekt entsprechend der Unterschiedlichkeit, die
zwischen den Individuen herrscht.
Deshalb finden wir, dass jeder, der
sich um das Erreichen einer
angesehenen Stellung in der Gesellschaft bemüht, wobei die Leute sich um ihn
scharen, sich in diese Richtung bewegt – das gilt auch für den, der nach Macht
und Herrschaft strebt. Man sieht ihn über die verschiedensten Themen sprechen,
die in Verbindung mit Herrschaft;
Politik, Wirt-schaft, Verfassungsorganen, Parteiorganisationen u.a.
stehen, was ihm einen Nimbus verleiht, der die Leute zu ihm lockt und um ihn
sammelt. Weil dieser Bereich für alle Menschen verführerisch ist, macht von ihm
jeder Gebrauch, der sich nach dem Thron der Macht den Hals verrenkt, und dringt
jeder in ihn ein, der einen Rang unter seinen Gefäh-rten begehrt. Und so sehen
wir die stattliche Menge der Redner in der Politik und hören wir die große
Vielzahl von Meinungen zu den meisten komplizierten Problemen – kompliziert
sogar für diejenigen, die in diesem Bereich lernten und sich darauf
speziali-sierten.
Das Gespräch über Politik und Rechtsgutachten dazu insgesamt ist erlaubt
für jeden, der das will, und eine offene Arena für jeden, der sich das anmaßt.
Es gibt hierbei keinen Unterschied zwischen einem unwissenden Ungebildeten und
einem glänzenden Spezia-listen der Kenntnis politischer Theorien und
internationaler Gegebenheiten, die einen Einfluss auf den Lauf von Ereignissen
und auf das Fassen von Beschlüssen haben. Dieses Phänomen bestätigt die Wahrheit
dessen, der behauptet: Es gibt zwei Bereiche, von denen jeder – sei er nun ein Ungebildeter oder ein
Universitätsprofessor – behaup-tet, dass er in ihnen ein Experte sei, nämlich
die Politik und die Religion. Jeder Mensch unternimmt – wenn sich ihm eine
Gelegenheit dazu bietet – ein Gespräch über Religion und Politik, auch wenn er
ein A nicht von einem B unterscheiden kann, da es sich um zwei Bereiche
handelt, die vom Leben eines jeden Menschen abhängen. Wer ein breites Publikum
gewinnen will, soll sich mit Politik oder Religion beschäftigen.
Die Religion ist der zweite Bereich, der alle
Leute dazu veranlasst, dar-über zu spre-chen – nicht als ein Verlangen nach
Erlangen einer weltlichen angesehenen Stellung, sondern als eine Befriedigung
des religiösen Gefühls und als ein Bekunden – oder eine Vortäuschung von Merkmalen der GOTTesfurcht. Wer sich dem
Gespräch über religiöse Dinge zuwendet, dessen Wunsch ist es – meistens –,
dass die Leute von ihm wissen, dass er eine gute Verbindung zu GOTT hat. Er
hält die Erfüllung seiner religiösen Pflichten ein und meidet die verbotenen
Dinge, die im ehrwürdigen Qurʾān stehen. Die Unter-haltung über
diese Themen ist eine Bestätigung für die Leute, dass er religiös und fromm
ist und deshalb auf religiöse Themen eingeht. Er gibt oft ein Rechtsgutachten
in den heikelsten Fragen ab und insistiert auf einer Meinung zu etwas, in dem
die Rechts-gelehrten unterschiedlicher
Meinung sind, was eine schlechte Auswirkung
auf das Verhalten der Leute und deren Beziehung zur religiösen Seite hat. Zu
den Merkmalen dieses Phänomens gehört,
was wir von Jugendlichen sehen und hören, die keine Verbin-dung zu
religiösen Stud-ien haben. Sie verbreiten an Meinungen und Belehrungen im Namen
des Islam, was weit entfernt vom Geist des IslÁm und dessen Lehre ist. Sie
glauben, dass sie damit der Islamischen
Daʿwah
einen dienst leisten. In Wirklichkeit stellen sie jedoch den IslÁm in einer Form dar, die viel
Abneigung bei menschlichen Gesellschaften wie auch bei Individuen gegen die
Religion bewirkt, was wiederum deren
Verhalten zu einem Werk-zeug der Abneigung gegen den Islam macht und nicht zu einer
Methode der Daʿwah
zu GOTT. Und das nur deshalb, weil sie unfähig sind die wahren Sachverhalte der Religion und deren
Gesetzeswissenschaft zu verstehen. Aus diesem Grund soll ihnen keine Erlaubnis
zum Eingehen auf die Auslegung religiöser Texte gegeben werden, denn was sich aus ihrem Eingehen auf das, wovon
sie keine Ahnung haben, an Fehlerhaftigkeit ergibt, passt nicht zu dem, was sie an geistigem Einfluss auf die
Gesellschaft bewirken. Sie verderben mehr als sie reformieren.
Wenn es auch jedem Menschen erlaubt ist über
Politik zu sprechen – da es kein Gesetz gibt, das dies verbietet –, so ist es
doch seitens der Religion verboten, dass jemand in der Religion über etwas
spricht, wovon er keine Ahnung hat, weil das ihn in die Bestra-fungssphäre
GOTTes führt. Es steht im ehrwürdigen Qurʾān, was dem religiösen Menschen verboten ist,
dass er auf Bereiche, die er nicht kennt, nicht eingeht. Wenn es jedoch
notwendig ist, dann muss man der
Wahrheit in den Dingen, über die man spricht, verpflichtet sein und darf
eine Erklärung nur zu dem, was man weiß,
abgeben. Der Erhabene sagt:
“Und es folgen die meisten von
ihnen nur einer Vermutung. Für wahr,
die Vermutung nutzt nichts gegenüber der
wahrheit.”
(Qurān,
Surah 10,Vers 36)
Und ER sagt:
“Und kleidet nicht die Wahrheit in
Lüge …” (Qurān,
Surah 2, Vers 42)
Und ER sagt:
“Heute wird euch mit der Pein der Schmach
vergolten für das, was ihr über GOTT an
Unwahrem zu reden pflegtet “ (Qurān,
Surah 6, Vers 93)
Und ER sagt:
“Und befasse
dich mit nichts, wovon du kein Wissen hast! Für wahr, das Ohr, das Auge und das
Herz - all jene werden dafür zur
Rechenschaft gezogen.” (Qurān,
Surah 17, Vers 36)
Die Verantwortung des Muslim für alles, über was er in religiösen An-gelegenheiten
spricht, ist groß, weil ein Fehler darin nicht wie ein Fehler im Politikbereich
ist. Wenn es auch in der Politik Raum zum Beheben von Fehlern geben mag oder
für das Nichtvor-handensein eines klar ersch-einenden Fehlers bei der
Unterhaltung über sie oder für das Fehlen des Gewissens, das seinen Besitzer
tadelt, wenn dieser weiß, dass er ein Fehler macht, so sind die Fehler im
Bereich der Religion verschieden, zumal der Mensch in religiösen Dingen große
Scham und Gewissensbisse fühlt, wenn ihm klar wird, dass er eine Meinung
abgibt, die der Lehre des Islam nicht
entspricht. Denn die Stellung des Glaubens bei ihm treibt ihn dazu an darauf
bedacht zu sein, nicht gegen diesen auf irgendeine Art durch etwas Schlechtes
zu verstoßen. Und der Glaube selbst hat ihn zum Versuch angetrieben, über ihn
zu sprechen in dem Glauben, dass er sich dadurch GOTT nähert.
Somit soll der Muslim sich nicht von seinen
Gefühlen leiten lassen und über religiöse Dinge sprechen, von denen er keine
Ahnung hat, damit er kein Opfer der Gewissensbisse wird, wenn sich bei ihm ein
Fehler zeigt, und jene Stärke zementiert, die seinem religiö-sen Einsatz
dem Islam in seinem Arbeitsbereich
einen Dienst zu erweisen entspringt, wobei er das Gespräch über den Glauben und
die Šarīāah
mit ihren Teilgebieten und Details den Fachleuten überlässt, die das Reden
darüber beherrschen – durch das Wissen,
Das sie im Fiqh des Qurān und der Sunnah erlangt haben.
Wenn die Stellung des Menschen in diesem Leben es
ihm auch erlaubt sich in die Welt der Politik zu stürzen und sich in ihr frei
zu bewegen, soll er doch seinen inneren Trotz bändigen und dem Reden auf dem
Gebiet der Religion nicht freien Lauf lassen, außer wenn er in Kenntnis und
sich im Klaren darüber ist, was er sagt.
Und demgemäß gibt es niemanden, dem es gestattet
ist das Ermahnen und Leiten auszuüben, außer dem für diese Aufgabe
wissenschaftlich Qualifizierten. Somit kann man das verstehen, was einige Rechtsgelehrte für den, der das
Rechte gebietet und das Verwerfliche verbietet, ausbedingten, dass nämlich ein
Imam oder
Herrscher ihm dies erlaubt. Sie beweisen das damit, dass der Imam in der Lage
ist jemanden auszuwählen, der diesen Beruf gut ausübt. Und sie meinen damit,
dass mit dieser Aufgabe einen wissenschaftlich Qualifizierten betraut, damit
nichts geschieht, was ob des Eindringens
des in diesem Bereich nicht Qualifizierten zu Verderbtheit und Aufruhr führt,
indem sie nämlich – in ihrer Unkenntnis der Bestimmungen – durch ihr äußerst
widersprüchliches Gerede, das sich auf keinerlei Beweise stützt, zu keinerlei
Weisheit führt oder Lebens-respektive Glaubensinteressen darlegt, Unruhe unter
den Leuten verbreiten und in deren Herzen Ratlosigkeit ausstreuen.
Vollkommene Redefreiheit für alle Leute im
religiösen Bereich hat böse Folgen im Bereich der Daʿwah zu
GOTT. Wenn sie auch in mancherlei Hinsicht gute Auswir-kungen in der
Gesellschaft hat, entstehen aus ihr doch Wolken, die die Toleranz des IslÁms verdecken und dessen
Wirksamkeit auf die modernen Wissenschaftsdisziplinen sowie die Möglichkeiten
der Beteiligung dessen, der sich beim Aufbau der modernen Kultur mit all ihren
Teilgebieten an ihn hält, den Blicken der Nicht- Muslime – und auch vieler Muslime – entziehen, was die Schultern des einladend Aufrufenden
beim Entge-gentreten der gedanklichen Strömung belastet, die dem Islam Feind sind.
Sind
die Fülle an Normen der islamischen Rechtswissenschaft und die Vielzahl der
Meinungen der Gelehrten bei einer einzigen Frage ein Grund für die Verbreitung
des Phänomens des Fanatismus und Extremismus in allen Winkeln der islamischen
Welt vom Osten bis zum Westen und vom Norden bis zum Süden?
Das
ist nicht der Hauptgrund, sondern vielmehr ein unterstützender Faktor bei der
Festigung und Verstärkung dieses Phänomens. Dies ist indes auf Ignoranz
zurückzu-führen sowie auf die Unfähigkeit zum Begreifen der zahlreichen
Meinungen und zum Verstehen der Philosophie dieser Meinungsverschiedenheit,
zumal viele derjenigen, die nach Ansa-mmeln von Vermögen streben – wobei ihre
Fähigkeit ihnen dies nicht durch Arbeit und Produktivität ermöglicht – auf die
Religion zurückgreifen. So lesen sie einige Bücher über Religion und glauben,
dass sie damit ein Ausmaß erreichen, das sie zum Reden über religiöse
Angelegenheiten qualifiziert. Auf diese Weise erlassen sie Fatwas, die zu den
Erfordernissen der Zeit nicht passen und mit den Lebensverhältnissen nicht in
Einklang stehen, weil sie nämlich nur das wissen, was sie gelesen haben.
Meistens wurde das, was der breiten Masse zum Lesen verfügbar ist, von
Vertretern fanatischer Meinungen und extremer Richtungen verfasst. Hinzu kommt
noch, dass die wirtschaft-liche und soziale Lage sowie das politische Klima die
Jugendlichen zum Zurückgreifen auf die Religion treiben, damit diese sie vor
der Lebenspression schützt. Denn sie glau-ben, dass diese es ist, die sie vor
dem, was sie an Wechselfällen der Zeit trifft, und vor der Ungerechtigkeit der
Starken rettet sowie sie von der Gewalt der Staatsmacht und Tyrannei der
Herrscher befreit.
Es
gehört zur Ironie des Schicksals und den Eigentümlichkeiten der sich in den
jüngsten Dekaden in der islamischen Gesellschaft verbreitenden Phänomene,
wessen wir im Namen der Religion an massenhaftem Gerede über Aberglaube und Mär
Zeuge werden. So sehen wir Pseudoreligionswissenschaftler, die in
Satellitenprogrammen über die Ehe eines Mannes mit einer Dämonin respektive
einer Dämonin mit einem Mann schwatzen. Sie erklären ferner, dass psychische
Krankheiten – oder Epilepsie – zu den Auswirkungen des Einfahrens eines Dschinn
in den menschlichen Körper gehörten, wobei sie behaupten, dass sie die
Fähigkeit zur Heilung organischer Krankheiten durch den ehrwürdigen Koran
besäßen. Sie sprechen ferner über andere Angelegenheiten, die mit der Religion
nichts zu tun haben (wie etwa Traumdeutung, Beschwörung und Schrei-ben von
Talismanen und andere Dinge, die nach dem Ansammeln von Geld der breiten Masse
gierige Leute unternehmen, wobei sie deren Naivität und angeborene Religiosität
ausnutzen). Denn die Hauptaufgabe des Islam besteht im Verbessern des
Verhaltens eines Menschen und dessen Rechtleitung zum Weg Gotts, der dessen
Zustand im Diesseits mittels Wissenschaft, Produktivität, Verantwortungsgefühl,
Läuterung dessen Herzens, Reinigen dessen Gewissens von Groll, Hass, Gier, Neid
usw. dient. Und dies ist mit den folgenden Worten des Erhabenen gemeint:
Und WIR senden vom Koran
hinab, was er Heilung und Barmherzigkeit ist für die Gläubigen... (Sure 17, Vers 82)
Was
aber organische Krankheiten betrifft, so sucht man deren Heilung bei einem
Facharzt. Das gilt auch für psychische Krankheiten. Freilich mag das Lesen des
ehrwür-digen Koran zum Beschleunigen der Reaktion des Körpers auf die vom
behandelnden Arzt verschriebenen Medikamente beitragen.
Wenn
man ein Volk mit milder Leichtigkeit führen will, wird man nur in der Religion
einen Weg finden, der einem diese Führung erleichtert. Erstrebt man absolutes
Ansehen, wobei sich niemand einem zwecks Verschmähen dieses Ansehens oder
Herabsetzens dessen Angelegenheit anzunähern in der Lage ist, findet man vor
sich nichts außer dem Sprechen im Namen der Religion. Trachtet man irgendwann
nach Reichtum, gilt die Religion hierbei als der kürzeste Weg zu dessen
Ansammeln. Dies ist so, weil ein Mensch schwach wird vor demjenigen, der mit ihm
im Namen der Religion spricht, da diese eine angeborene Veranlagung in ihm
darstellt. Die Religion ist also mit dem Leben des Menschen untrenn-bar
verbunden. Man fand bereits Nationen ohne Kultur, wohin-gegen es weder ein
Individuum noch eine Nation ohne Religion gibt, wie auch immer die Form und das
Wesen dieser Religion seien.
Und
genau das ist der Schlüssel zum Verstehen dieses Phänomens, das in den
islami-schen Gesellschaften verbreitet ist, wo die Sprecher im Namen des Islam
in den ver-schiedenen (schriftlichen, visuellen und hörbaren) Massenmedien
immer mehr werden. So wetteifern Satellitenprogramme und andere miteinander
bei der Zusammenstellung von Sendun-gen, die ein propagandistisches religiöses
Gepräge haben um kommerzielle Werbeträger anzulocken. Denn dies enthält
Bekanntheit und Reichtum für den Sprecher, finanzielle Unterstützung für den
Kanal und einen adäquaten Ertrag für die Besitzer der Waren, für die man Reklame macht. Niemand denkt an
die Auswirkung dieser Progra-mme auf die Mentalität der islamischen Gemeinschaft
und deren Kultur, wobei alle Schichten die Orientierung dieser Gemeinschaft auf
das übersahen, was dieser es ermöglicht sich aus deren Straucheln wieder
aufzurichten und den Zug der modernen Zivilisation zu erreichen. Die meisten –
nicht alle– dieser Sendungen beruhen auf dem Anlocken und zielen auf das Erwecken
von Sympathien und das Stimulieren religiöser Empfindungen ungeachtet dessen,
zu was diese Methode an Ausschließen des Intellekts und Auslöschen der
Charakteristika der schöpferischen religiösen Werte führt, die dem Menschen
sowohl in dessen Diesseits als auch in dessen Jenseits Nutzen bringen.
Das
geschah am Ende der umaijadischen und während der abbasidischen Epoche, in der
Veranstaltungen von Erzählern in den Moscheen verbreitet waren. Diese pflegten
die Leute zum Hören der von ihnen erzählten Fabeln und Legenden in einem
religiösen Kontext anzulocken, der die Gefühle der Hörer in einem Ausmaß
beherrschte, dass ihre Avant-gardisten und die ihnen Zuhörenden sich auf
Hunderte beliefen, wohingegen an den Sitzungen der Gelehrten und bedeutenden
Imame nur eine kleine Anzahl von Leuten teilnahm. Und genau dies geschieht auch
heutzutage, insofern als wir riesige Volksmas-sen finden, die Laien in den
Religionsstudien zuhören, die religiöse Erzählungen und Geschichten vermitteln,
deren Auswirkung über den Augenblick des Zuhörens hinaus-geht, ganz abgesehen
davon, dass sie voller Fehler und unsinniger Schwatzhaftigkeit sind, die
keinen effektiven Einfluss auf das Kulturschaffen der religiösen Gemeinschaft
haben. Sie sind vielmehr Seifenblasen ähnlich, die Geschrei und Gezeter
hervorrufen, und dann dauert es nicht lange und sie sind nutzlos. Zu den
kuriosen Anekdoten, die von jenen Erzählern der abbasidischen Epoche überliefert
sind, gehört, dass eines Tages Imam Ahmad Ibn Hanbal und der Ḥadīṯgelehrte
Jaḥja Ibn Maʿān eine
Moschee betraten. Da sahen sie einen dieser Leute zu vielen Menschen sprechen.
So setzten sie sich um zu hören, was er sagt. Sie hörten ihn immer wieder sagen,
dass er dies von Aḥmad Ibn Ḥanbal und jenes von Jaḥja Ibn Maʿīn gehört
habe. Als er seine Lektion beendet hatte und die Leute weggegangen waren,
fragten ihn beide nach der Authentizität dessen, was er von beiden berichtet
hatte. Er bestätigte ihnen das. Da informierten sie ihn, dass sie Ahmad Ibn
Hanbal und Jahja Ibn Maʿīn
sind und dass sie jenes nie gesagt haben. Er entgegnete: „Ich habe keinen
dümmeren Menschen als euch beide gesehen! Glaubt ihr denn, dass es
ausschließlich einen einzigen Aḥmad Ibn Ḥanbal und einen einzigen Jaḥja Ibn Maʿīn gibt?
Ich habe vierzig Aḥmad Ibn Ḥanbals und vierzig Jaḥja Ibn Maʿīns
getroffen.“ Man sehe also, wie die Antwort eines derjenigen war, die im Namen
des Islam sprachen – und bis zum heutigen Tag immer noch sprechen – und Fatwas
und Rechtsnormen ohne Überlegung und ohne Nachdenken erlassen und diese auf
keiner authentischen.
Diese
Erscheinung gilt als ein Hauptfaktor der Rückständigkeit des islamischen
Den-kens, weil sie die Aberglauben und die Ammenmärchen verbreiten ließ. Sie hat
auch einige Sitten und Gebräuche in der islamischen Gesellschaft ins Leben
gerufen, die der Islam für verboten erklärte, nämlich:
1.
Die Sorge um die Äußerlichkeit ohne Rücksicht
auf die Wesenheit.
2.
Formale Religiosität
3.
Die unterschiedlichen Formeln der
Bittgebete und der zusätzlichen rituellen Handlungen
4.
Vernachlässigung der moralischen
Werte, zu denen der Islam aufruft.
5.
Die Abwendung von den Geboten
Gottes, über das Globus mit den wissen-schaftlichen Methoden und den von Gott
dem Menschen zum Kultivieren und Aufbau
gegebenen Möglichkeiten und nicht nur mit den Bittgebeten, in dem man
die Hand hoch hebt.
Das liegt vor allem darin, dass diese beim Chor der
Wissenschaft schmarotzenden Menschen die Gefühle der Muslime mit bezaubernden
Worten beherrschten und ihnen davon überzeugten, dass sie den Wohl Gottes nur
durch folgende Dinge erlangen kön-nen; und zwar:
-
Anbetung in den Moscheen.
-
Tagsüber und Nachts dauernde Bittgebete.
-
Wenn jemand krank ist, hat er nur einige Koranverse
zu lesen, weil der Koran die physischen Krankheiten heilt.
-
Wenn man psychisch krank ist, dann geht man zu den
Gauklern und den Hexen, damit sie man heilen… und viele andere Verhalte-nsweisen,
die den Verstand nicht anerkennen und nicht auf die Anspornung des Islam achtet,
in der er die Menschen immer dazu aufruft,
die Welt zu kultivieren, über koranische Verse nachzuden-ken, die zur
Forschung aufrufen und die Rolle des Verstandes zum Wohl der Menschen
funktionieren zu lassen.
Zu
den Beispielen, die uns den auf die Einflüsse
solcher Leute zurückgegangenen Niedergang des Denkens in den islamischen
Gesellschaften und deren Abweichungen
vom Verständnis der früheren Muslime zeigen, zählt was nach ʿUmar Ibn Al-Ḫattāb
(Zweiter Kalif der Muslime) überliefert wurde, dass er in einem Gerichtsfall
einen Zeu-gen brauchte. Da brachte man ihm einen Zeugen, der selbst einen Anderen braucht, damit er für lauter
erklärt werden soll, um seine Zeugenaussagen zu vernehmen. Umar fragte diesen
Anderen: Wohnst du neben demjenigen, den du läutern willst?. Der Mann sagte:
Nein. Daraufhin fragte ihm Umar erneut: Hast du ihn vorher in einer Reise
beglei-tet? Dieser erwiderte: Nein. Dann fragte ihn Umar: Gab es zwischen euch
Handels-geschäfte? Der Mann antwortete zum dritten Mal auch mit
"Nein". Da sagte ʿOmar zu
diesem Mann: Ich denke, du siehst ihn nur in der Moschee bei den Gebeten. Der
Mann erwiderte "Ja". Daraufhin wandte sich Umar zum Zeugen und sagte:
"Geh und bringe mir einen, der dich kennt, weil dieser dich gar nicht
kennt"
Der
Islam sorgt also nicht nur um die formale Religiosität, sondern auch um Arbeit
und richtige Verhaltensweise. Die Gottes Dienstleistungen sind auch kein Ziel,
sie sind vielmehr ein Mittel zur Auswertung und Verbesserung des menschlichen
Verhaltens. So, wenn der Muslim sie nur formal zu verrichten pflegte, dann sind
diese sinnlos. Der Prophet (Gott segne ihn und schenke ihm Heil) sagt:
"Wem sein Gebet nicht das Verw-erfliche verbietet, dann hat sein Gebete
überhaupt keinen Sinn"
Es
gibt auch religiöse Texte, die die Muslime darauf aufmerksam machen, dass sie
immer bei ihren Problemen nach den Ursachen fragen bzw. suchen und nicht zu den
von den heutigen Islam-Angebern häufig überlieferten Aberglauben zu zuwenden.
Der Prophet (Gott segne ihn und schenke ihm Heil) sagt: "Gott hat keine
Krankheit ohne jegliches mögli-che Heilmittel. Die Unwissenden haben davon
keine Ahnung, jedoch die Wissensstreber werden davon gewisse Erkenntnis
haben"[2].
Weiter hat er gesagt: "Wer einen Talisman an seinen Hals hängt, Gott wird
ihn nicht segnen. Und wer ein balsamier-tes Papier um seinen Hals hängt, Gott
wird ihn nicht heilen" Über ʿUrwa wurde nach seinem Vater überliefert,
dass er eines Tages ʿĀiša sagte: Du hast ja die Ḥadīṯe, Poesie und Sprachlehre vom
Propheten (Gott segne ihn und schenke ihm Heil) aufgenommen. Von wem hast du
denn Medizin gelernt? Sie sagte: Der Prophet war häufig krank und es kamen ihm
viele arabische Ärzte vorbei, von denen ich viel gelernt habe.[3]
D.h. Der Prophet selbst hatte sich nicht mit den im Namen des Islam von diesen
Hochstaplern eingeführten Mitteln heilen
lassen. Zaid Ibn ʾAslam überlieferte auch nach seinem Vater, dass er sagte:
"Ich habe in der Zeit Ibn-l-Ḫaṭṭābs an einer schweren Krankheit erli-tten
und mein Onkel hat mir einen Arzt gebracht".[4]
Er hatte ihm also niemanden gesandt, der die Leute mit den Koranversen heilt.
Der hatte auf seinem Kopf auch keinen einzigen Koranvers gelesen oder ihm auch
einen Bann geschrieben, wie es heutzutage im Namen der Religion verbreitet
ist. Diese Denkart existierte nicht zur Zeit der frühen Muslime, sondern in
einer späteren Epoche, in der Aufruf zum Islam von Leuten über-nommen wurde, die
nur von den islamischen Lehren wenige Erkenntnis hatten, die mit vielen von
dem richtigen islamischen Denken weit entfernten Märchen und Aberglauben
gemischt sind.
Deswegen
muss ein in den Islamwissenschaften nicht spezialisierter Mensch nicht darüber
aus Eifersucht und Begeisterung reden, wenn er davon keine Ahnung hat, weil es
auch dem Aufruf zu Islam mehr Schaden hinzufügen, als was sie dem nützen
könne, besonders wenn es sich dabei um moderne Lebenssysteme mit ihren
Neuigkeiten, Vielfältigkeit und
kulturellen Komplikationen handelt.
Solche Personen können eher dadurch ihre Religion dienen und ihren Glauben
schützen, indem sie in ihren eigenen
Fachbereichen bewandert sind. Wenn einer z.B Ingenieur sei, so er kann
mit seinen in seinem Fachbereich hervorragenden Leistungen den Islam bedienen,
damit die islamische Gesellschaft später keine ausländischen Ingenieure
braucht. Genauso kann auch ein Arzt, Buchhalter, Wirtschaftswissenschaftler,
ein Agronom u.a sein. Da die Überlegenheit der Muslime in diesen Bereichen
beschützt sie von den Beeinflussungen der Ausländer, von denen die Muslime in
diesen Bereichen heute Hilfe brauchen. Will ein der oben genannten Pers-onen
danach im Rahmen des Aufrufs zu Islam aktiv sein, dann soll das nur durch seine
Verhalten und Moralen mit seinen Kollegen und Kolleginnen, weil diese eine
nachhaltigere Auswirkung haben, als die Worten der Prediger und
Religionsunterrichten
[1] ) vgl. die Forschungsarbeit von Prof. Dr. ʿAṭā As-Sunbaṭī unter dem Titel Meinungsverschie-denheit der Rechtsschulen und
ihr Einfluss auf die Anbetungshandlungen!).
ليست هناك تعليقات:
إرسال تعليق