Einklang zwischen den heiligen Texten
und den geistigen Gegebenheit
Prof. Dr. M. Shama
Gott erschuf den
Menschen und zeichnete ihn gegenüber allen Lebewesen mit dem Verstand aus, damit
dieser sein Verhalten kontrolliere, seine Bezie-hungen mit seinen Mitmenschen
organisiere und ihm dabei helfe, was sich im Universum an Naturphänomenen
befindet, in seinen Dienst zu stellen um sein Leben zu bewahren, ihn in die
Lage versetze zu entdecken, was im Universum an Geheimnissen für die Entwicklung
seiner Lebensordnung existiert sowie ihn beim Rhythmus im Umgang mit sich
selbst, mit seiner Gesellschaft und mit dem,was ihn an Mensch, Fauna und Flora
umgibt, unterstütze. Der Verstand stellt ergo den Angelpunkt des Lebens und
die Quelle der Ideen dar, die das Agieren der Individuen und Gesellschaften lenken.
Er ist es, die die Gewohnheiten und Traditionen der Gesellschaften bestimmt und
deren Werte und Prinzipien verankert. Er ist es ferner, der nachsinnt, kreiert,
vorhersagt und prophezeit. Somit erhoben die Religionen seinen Rang und richteten
an ihn ihr Wort. Im Evangelium steht „Am Anfang war das Wort’’, nämlich der
Verstand. Und auch der ehrwürdige Qurʾān wandte sich mit seinem ersten an
Mohammad (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!) herabgesandten Vers an den
Verstand, denn der Erha-bene sagte, als ER SEINE Rede an Muhammad richtete
„Lies!“, das heisst, benutze den Verstand, denn dieser wird dich zum geraden
Weg rechtleiten. Des Weiteren hielten ihn die Philosophen und Denker heilig.
Unter ande-rem sagten sie Folgendes:
„Ich bin jene
lebende lodernde Wesenheit des geheiligten Geistes, die in der Schönheit der
Felder glüht. Ich leuchte auch im Wasser und verbrenne in der Sonne, im Mond
und in den Sternen... Und ich atme in der Weite des Grünen und in den Blumen.
Sprudelt das Wasser hervor, dann ist das so als ob es im Leben pulsiert. Und
nichts anderes als jenes tue ich... Ich bin die Weisheit. Mein Wort, das wie
Donner dröhnt, ist es fürwahr, das alles erschuf... Ich bin das Leben.“ (Hildegard von Bingen, aus dem
Buch „Der Verstand und das Auge“ von Ergenz Arbor)
Das Universum selbst
hält das Leben nicht für billig. Das Leben ist ergo eine Angelegenheit eines
raren Vorkommnisses unter Billionen von Gala-xien und Sonnensystemen, die den
Weltraum ausfüllen. In unserem eigenen Sonnensystem gibt es Leben nur auf einem
Planeten. Das Leben auf diesem Planeten variiert in Millionen Arten mit
verschiedenen Formen. Unter diesen Millionen Arten gibt es nur eine Art – als
da ist das Menschengesch-lecht –, die über einige bestimmte verbindende Talente
verfügt, die sie wiederum gegenüber allen anderen Arten in überwältigender
Weise ausge-zeichnet sein lässt. Eins dieser Talente ist die kreierende
Klugheit, die dem Menschen das Nachsinnen, Vorhersagen und Prophezeien
ermöglicht und ihn zum Verständnis früherer Erfahrungen und Vorstellen von
künftigen Regungen führt. Es gibt ferner unzählbare Talente, die noch weit
entfernt von der Erkenntnis derer sind, die sich ihrer bedienen, als da sind
die Talente der Hoffnung, des Gewissen, der Bewertung der Schönheit, der Liebe und des Glaubens (Norman Kazbitz in seinem Buch Wer verteidigt den Menschen?)
„Was das Leben
vorantreibt, ist seine nicht eindeutige Erkenntnis von Ideen und Meinungen, die
heutige Sprachen nicht ausdrücken können.“
Die
Gewohnheiten, die Traditionen, die ethischen Werte, die Prin-zipien und das
Verhalten gehören zum Produkt des menschlichen Verstands. Somit ist die
Verbindung zwischen beidem eine enge und unauflösbare oder nicht
abzuschwächende, ausser wenn der Verstand etwas ihm Neues in einer derartigen
Stärke kreiert, die ihn befähigt nachzuweisen, dass es angemes-sener und würdiger
ist den Platz des Alteneinzunehmen. Aus diesem Grund ist es bekannt und steht
es aus historischer und sozialer Sicht fest, dass es einen Konflikt zwischen
dem Alten und dem Neuen gibt, in dem der Vers-tand eine zentrale Rolle spielt.
Wurde es ihm klar, dass das Alte nicht mehr üblich ist und nicht mehr zu den
Erfordernissen des Lebens passt und das Neue seine Würdigkeit und Eignung für
das Leben unter Beweis stellt, übernimmt das Neue in toto oder teilweise die
Stelle des Alten. Erfordert die Angelegenheit den Einklang zwischen dem Neuen
und dem Alten, neigt der Verstand dazu. Ja er zieht ihn sogar allen anderen
Möglichkeiten vor, und zwar insbesondere dann, wenn sich das Alte auf historische
Wurzeln und religiöse Heiligkeit stützt. Der Einklang ist ein Versuch des
Interpretie-rens der heiligen Texte, um deren Konzeption den Erfordernissen
einer Epoche anzupassen. Der Mensch übt diesen rationalen Prozess von alters
her aus, denn Kreativität und Erneuerung gehören zur Natur des mensch-lichen
Lebens. Prallt das Neue auf die Gewohnheiten und Traditionen der Gesellschaft,
führt das zum Verschwinden und Verbergen des Alten, falls dessen
Voraussetzungen sich abschwächen und erschöpfen, oder zur Modi-fikation seines
Wesens und zum Einimpfen des Neuen in das Alte. Prallt das Neue indes auf
heilige Texte und weist das Neue seine Eignung für das Lebens nach, greifen die
Denker zum Interpretieren der Texte, damit das Neue mit dem Alten
übereinstimmt., Dieses Phänomen scheint durch die Phasen der historischen
Wandlung klar zu sein. Die Ereignisse in den men-schlichen Gesellschaften haben
bestätigt, dass die Phase des Wandels zu den gefährlichsten Phasen gehört, die
die menschlichen Gesellschaften pas-sieren, denn sie ist die Phase eines
scharfen Konflikts unter den geistigen Strömungen, die verschiedene Quellen und
Herde haben, deren Inhalt und deren Formen wider streitend sind und die in den
Zielen und Zwecken weit auseinander liegen. Dies liegt daran, dass die Ordnung
des Universums sich auf das Prinzip der Bewegung und des Wachsens stützt und
sich die Grund-lage der Lebensdynamik auf die Veränderung konzentriert.
Vergessen die Menschen dies, kommt das Pulsieren der Existenz zum Stillstand
und ver-siegt die Bewegung des Lebens auf immer. Die Gewöhnung der Menschen an das
Übliche und deren Angst von der Zukunft treibt sie in den Glauben, da jedes
Neue in sich selbst eine drohende Gefahr trägt, die die Grund-lagen, auf denen
sich das Leben der Menschen stabilisiert, vergangen sein lässt und die
Stabilität, mit der sie vertraut sind und an die sie sich gewöhnt haben,
erschüttert, selbst wenn dies den Grund für ihre Dekadenz und ihre
Rückständigkeit darstellt. Sie sind mit dem zufrieden, was sie bei ihren Ahnen
fanden und in dessen Schatten sie heranwuchsen und sich ent-wickelten, selbst
wenn dies in einigen Aspekten Bestandteilen etwas enthält, was ihren Entwicklungsverlauf
hemmt und sie unfähig macht das zu erreichen, was ihre Beschwerlichkeiten
beseitigt und ihre Schmerzen abschwächt. Somit beginnt der Konflikt zwischen
dem, der zum Abschüt-teln der Spuren der Vergangenheit und Aufnahme alles Neuen
mit offenen Armen und zur Annahme jeder Neuentwicklung aufruft, zumal dies –
nach seiner Meinung – das Rad des Lebens
hin zum Fortschritt drehe und bei der Befreiung von den Spuren der
Vergangenheit überall da helfe, wo es Rückständigkeit und Dekadenz in den
gesamten Lebensbereichen gibt, und denen, die Erneuerungen ablehnen und auf dem
Festhalten am Alten behar-ren wie auch immer seine Werte und sein Einfluss im
Leben seien. Sie mei-nen, dass das Neue kein Gewicht habe und man es deswegen
nicht akzep-tieren solle sowie keine Wurzeln, die seine Existenz in der
Gesellschaft festigen und den Menschen dazu anspornen mit ihm umzugehen, da es
sich hier um eine „Bidʿa“, also um eine Ketzerei handle, die den
irreführe, der ihr folge: Sie führe ihn in ein bodenloses Tal, wo er seine
Identität verliere und sich seine Konturen inmitten der vielen neuen Bilder und
Formen auflösten. Auf diese Weise zerrinne sein Wesen und zerfalle sein Dasein
als Folge dieses Neuangekommenen.
Zwischen diesen
und jenen gibt es eine Gruppe, die sich nicht für das Neue begeistert; vielmehr
zwingen sie die Lebensumstände zum Umgang mit ihm. Sie missbilligt das Alte
nicht, sondern verschliesst davor unter dem Druck der Lebensumstände die Augen
und zieht sich angesichts der Gegebenheiten der Zeit und der
Lebenserfordernisse von ihm zurück.. Aus diesem Grund sieht man diese Gruppe
konsterniert und durcheinander. Zahlreiche Tendenzen zerrissen sie und werfen
sie in den geistigen Strö-mungen von allen Seiten hin und her. Diese Gruppe hört
auf diejenigen, die am Alten festhalten und in toto zu ihm neigen, und macht
ihre Gefühle mit dem vertraut, was sie an Belegen und Beweisen ständig
wiederholen, zumal die Wurzeln des Alten tief in sie reichen und sich in ihren
Gefühlen und Empfindungen verzweigen. Diese Gruppe lauscht ferner denjenigen,
die zum Neuen aufrufen; sie verschliessen also ihre Ohren nicht vor deren
Stimme und weisen keinen Beleg oder Beweis von ihnen zurück. Denn die Realität
des Lebens unterstützt sie, der Wunsch nach Fortschritt und Auf-stieg bestätigt
sie und die Hoffnung auf die Befreiung von der Hegemo-nie derjenigen, die die
Zügel der zeitgenössischen Technologie in Händen hal-ten, hilft ihnen und
veranlasst die Zögernden zur Parteinahme für ihre Reihen.
Ist der
Standpunkt der Erneuerer und der Konservativen klar, bleibt der Standpunkt der
breiten Masse der Bevölkerung schwankend. Er pendelt hin und her zwischen
diesen und jenen. Manchmal neigt er in toto zur Seite der Erneuerer, und zwar
dann, wenn die weltlichen Interessen überwiegen und der Einfluss der
Zivilisation und deren Glanz in den Augen und Ohren klar wird, und manchmal
hält sie fanatisch am Alten fest, wenn die Gefühle überwiegen, die Empfindungen
aufflammen und lodern.[2]
Somit ist der
Einklang absolut notwendig. Dies ist ein soziales Phä-nomen, von dem keine
Gesellschaft trotz verschiedener Kulturen und Reli-gionen und differierender
Stufen der Zivilisation und des Fortschritts frei ist. Die Leute setzten sich
zu allen Zeiten und setzen sich nach wie vor mit diesem Phänomen auseinander.
Und dieses Phänomen wird – solange es einen Verstand gibt, der kreiert und
erneuert, und solange die Gesell-schaften an ihren alten Traditionen festhalten
und ihre Religionen und Weltanschauungen im Griff behalten – in den
menschlichen Gesellschaften bleiben, bis die Erde und alles auf ihr wieder zu
Gott zurückkehrt. Betrach-ten wir einen Aspekt menschlichen Denkens, wie etwa
die Philosophie, finden wir das Phänomen des Einklangs klar und deutlich, denn
die Geschi-chte dieses Phänomens geht auf das Erscheinen der Philosophie selbst
zurück. Die alten Philosophen versuchten die Philosophie und das, was diese an
Wissenschaften und Methoden enthält, mit den vorherrschenden Religionen in
Einklang zu bringen. Die Stoiker interpretierten sogar die Symbole von
Volksreligionen in philosophischer Weise.
Imbaduqlis wies
bei dem Versuch Wege zum Einklang zwischen Denken und Religion zu kreieren ein
überragendes Geschick auf. Darüber hinaus wandte Platon gewaltige Bemühungen
zur Durchführung dieser anstren-genden Arbeit auf, die das Buch „Von der
Religion zur Philosophie“ (From Religion to Philosophy) dahingehend beschreibt,
dass dieser Platon „seinen Fuss auf die Erde setzte und den Himmel in der Hand
hielt.“ Dies ist eine Metapher für den Einklang, zwischen irdischem
menschlichem Denken und der vom Himmel herabgesandten Offenbarung.[3]
Die Philosophen
praktizierten ihre Denkaktivität um ererbte Ideen in den menschlichen
Gesellschaften aus. Die Philosophie zeigte sich also als eine Erklärung
respektive Begründung der Umweltereignisse sowie als akkurate Analyse,
Festlegung und Einklang zwischen den unterschiedli-chen Elementen in diesem
Erbe. Philon aus Alexandria (gest. 50 v. Chr.) erklärte die jüdische
Gesetzgebung in einer philosophischen Weise, wobei er die in ihr enthaltenen
Symbole verdeutlicht. Diesen Versuch unternah-men als Folge der Beeinflussung
des Neuplatonismus auch die Kirchen-väter, wie etwa der heilige Augustinus (430
n. Chr.). Auf diese Weise grün-deten sie die Scholastik, deren Höhepunkt im
dreizehnten nachchristlichen Jahrhundert mit Albertus Mag-nus und dem heiligen
Thomas von Aquin war.[4].
Die Strömung
des Einklangs zwischen Religionen und Philosophie kam in der Geschichte
menschlichen Denkens nie zum Stillstand. Seit der Men-sch zu philosophieren begann, trat auch der Einklang zwischen
Philoso-phie und Religion zutage. Es gibt in der Geschichte keinen Philosophen,
der nicht über die Religion gesprochen hätte – sei es nun in negativer oder
positiver Weise. Dementsprechend dauerte der Versuch Religion und Philo-sophie
in Einklang zu bringen in allen Epochen an, bis dies eines der Kenn-zeichen der
philosophischen Forschungen wurde. Die Philosophie vermi-schte sich mit der
Himmelsreligion zur Zeit des Hellenismus, als die Rabbis der Juden und die
Theologen der Christen religiöse Fragen in philo-sophischer Weise behandelten
und sie dann mit dem Ziel der Verbreitung und Unterstützung der jüdischen und
christlichen religiösen Ansichten zu Platon oder Aristoteles in Beziehung
setzten. Denn der Zusammenhang dieser Fragen mit Platon und Aristoteles – die
ja zwei Führer der griechi-schen Weisheit darstellen – unterstützt diese Fragen
von der Philosophie her, und zwar neben der Unterstützung von Seiten der
Himmelsoffenba-rung.
Die Philosophen
der Muslime haben dieses Phänomen nicht beiseite gelassen. Sie behandelten
seit der Epoche der Muʿtazila und dann durch Al-Kindī, Farabīi, Ibn
Rušd (Averroes) und Ibn Sīnā (Avicenna) die Frage des Einklangs bald mittelbar,
bald unmittelbar in ihren Büchern. Al-Kindi sagte etwa: „Um die Wahrheit
religiöser Kenntnisse weiss man durch die geis-tigen Massstäbe.“ Er meint, dass
sowohl Religion als auch Philosophie um einen Angelpunkt kreisen, als da ist
die Wahrheit, und ebenfalls dasselbe Ziel bezwecken, also das Gelangen zur
Wahrheit. Aus diesem Grund sagt Al-Kindī: „Die
edelste Disziplin der Philosophie ist das Wissen mittels der göttlichen
Philosophie respektive der Ersten Philosophie oder. die Wissen-schaft der
Ersten Wahrheit, die den Anlass einer jeden Wahrheit darstellt, so wie auch der
Anlass einer jeden Sache und deren Bestätigung die Wahrheit ist. Die Wahrheit
unterscheidet nicht zwischen Philosophie und Religion, wie unterschiedlich
auch immer Fragenstellungen und Methoden der bei-den sein mögen.“ Er geht sogar
noch weiter, insofern als er meint, dass Religion und Philosophie – im
Allgemeinen – hinsichtlich des Themas, der Methode und des Zieles in Einklang
stehen.
Religion und
Philosophie stehen ergo hinsichtlich des Themas im Einklang, denn das Thema der
beiden ist das Gelangen zur Wahrheit. Und auch hinsichtlich des Zwecks und des
Zieles stehen beide im Einklang, da beide nach dem Zugrundlegen der Werte der
Wahrheit, Gerechtigkeit und des Guten, was alle rechtschaffenen und nützlichen
Taten umfasst, streben.[5]
Die Denker
erklärten die zusammengefassten religiösen Wahrheiten mittels philosophischer
Meinungen und interpretierten die religiösen Begri-ffe in einer Weise, die mit
den Aussagen der Weisen übereinstimmt. Die religiösen Wahrheiten, die durch
philosophische Ansichten erklärt werden, sind meistens Aussagen der Religion über
Schöpfung und Natur. Die relig-iösen Begriffe, die durch das interpretiert
wurden, was zu den Aussagen der Weisen passt, stellen die Begriffe der Religion
über die Metaphysik dar. Was es in der Philosophie gibt, geht auf die Religion
zurück, und was es in der Religion gibt, kann auch auf die Philosophie
zurückgehen, und zwar je nach dem, der den Einklang sucht: Gibt es eine
Parteinahme für die Reli-gion, neigt er zum Zurückführen auf die Religion, was
in der Philosophie ist; ist er indes erfüllt von Liebe die Philosophie, interessiert
er sich für das Zurückführen auf die Philosophie, was in der Religion ist..
Das Werk des
Juden Aristopolos beeinflusste die Christen und half deren Umwelt beim Aufbau
der philosophischen Schule in Alexandria, die bekannt ist ob des Prägens
hinsichtlich des Einklangs zwischen Christen-tum und griechischer Philosophie.
Darüber hinaus befand sich unter den Männern der Schule Jaḥjā An-Naḥwī, der die
Lehren der griechischen Philosophie auf das Christentum zurückführte. Das Werk
der Christen – und besonders das von Jaḥjā Al-Naḥwi –hatte wiederum
möglicherweise einen starken Einfluss darauf, dass die Muslime sich dem
Einklang zwi-schen Islam und griechischer Philosophie zuwandten. Das
Philosophieren der Muslime stellte sich sogar als dieser Einklang dar. Das
hatte ebenfalls einen grossen Einfluss darauf, dass einige Muslime – wie etwa
die Iḫwānu-s-Safā und andere wie beispielsweise Muhammad Ibn Tāher Bahrām
Al-Mantiqī As-Siǧistānī – die griechi-sche Philosophie mit dem Islam in eine
Reihe stellten.
Nicht nur diese
Leute befassten sich mit diesen Thema. Viele Muslime im Mittelalter, die sich mit den Geisteswissenschaften beschäftigten, waren
derselben Ansicht. So sagt etwa Al-Ġazālī (in seinem Buch Der Retter vor dem Irrtum):
„Die Philosophen entnahmen die Regeln der Politik den zu den Propheten
herabgesandten Büchern Gottes sowie den von Gottes vor-trefflichen Freunden
ererbten Weisheiten... Sie entnahmen den Ethikkodex der islamischen Mystik,
den Gott seher Nahestehenden, die beharrlich sind im Gedenken Gottes. im
Trotzen von Leidenschaft und im Besch-reiten des Weges zu Gott, dem Erhabenen.
Sie vermischten dies mit ihrer Aussage um durch die Verschönerung dieser
Aussage zur Verbreitung ihres Eitelkeit zu gelangen.“ Jaḥjā An-Naḥwī sah indes
keine schlechte Absicht bei Platon, als er diesen bei seinem Denken straucheln
sah, wohingegen Al-Ġazālī glaubte, dass die Philosophen der Muslime absichtlich
das Eitle verbrei-teten. Diese Behauptung war eine seiner Stützen bei der Bekämpfung
der Philosophen und der Philosophie.
Wenn nun
Al-Ğazālī die Ansicht vertritt, dass die Philosophen ihre Philosophie den
herabgesandten Büchern Gottes entnahmen, so bestimmt Aš-Šahrastānī aber in
seinem Buch Die Religionen und die Glaubensrich-tungenالملل والنحل) ( – was seine Definition unterstützte – den Propheten als den, von dem ein
bestimmter der bekannten Philosophen etwas übernahm. Er erwähnt beispielsweise
von Anbāqalīdis: „Er ist bei den Wissenschaften gewiss sehr feinsinnig. Er pflegte
zur Zeit des Propheten David (Friede sei mit ihm!) zu diesem zu gehen und bei
ihm zu studieren. Er suchte Luqmān, den Weisen, auf und übernahm von ihm
Weisheit. Dann kehrte er nach Griechenland zurück und war von Nutzen.“ Šauqī
sagt in seinem Gedicht, in dem er den Gesandten lobt:
Durch dich, o Sohn des ʿAbdulllāh, entstand
Toleranz
Durch die würdigste der Religionen der
Rechtleitung fest.
Sie wurde auf das Eins-Sein Gottes gebaut.
Es ist eine Wahrheit, Zu der Sokrates und die
Alten aufriefen.
Durch ihr Licht wandelten in der Geschichte
Die Priester des Niltals und die Wahrsager.[6]
Aspekte
des Einklanges
Es ist gleich,
ob die Quelle für den von den Philosophen der Muslime gewünschten Einklang
zwischen Religion und Philosophie dieses atraktives Bild –hinsichtlich der
religiösen Seite– war, das die griechi-schen Ansich-ten begleitete und durch das
diejenigen der Muslime, die den Einklang suchten, getäuscht wurden und ihm
dadurch ihr Vertrauen schenkten, oder ob sein Ausgangspunkt etwas anderes war,
jedenfalls besteht dieser Eink-lang aus zwei Arten:
Der erste Typ
Der erste und
nahe liegende Typ erklärt die allgemeinen religiösen Wahrheiten durch
philosophische Ansichten, die etwas damit zu tun haben, dass sie detailliert
sind. Al-Fārābī in seinem Buch Schnitze
der Weisheit, Ibn Sina in seinen Forschungsschriften
über die Weisheit und die Natur-wissenschaften und Iḫwānu-s-Ṣafā in ihren Forschungs-schriften
stellten einen Einklang zwischen Religion und Philosophie her, indem sie diesem
Typ in ihrem Einklang folgten, denn sie erklärten die religiösen Wahrheiten
durch die griechischen philosophischen Ansichten.
Wenn wir uns
beispielsweise mit dem Buch Schnitze der Weisheit beschäftigen, finden
wir, dass Al-Fārābī die Worte Gottes ER ist der Erste und der Letzte
auf platonische Weise erklärte. So äussert er sich zu ER ist gewiss der Erste
unter dem Gesichtspunkt, dass ER aus SICH SELBST stammt und durch IHN jedes
ausser IHM Existierende entsteht. Und ER ist der Erste unter dem
Gesichtspunkt, dass ER das erste Wesen im Dasein bis in die Nähe von IHM ist...
ER ist der Erste, denn wenn man alles betrach-tet, dann hat ER zuerst
dessen Einfluss in ihm und danach angenommen – ohne Zeit. ER ist der Letzte,
denn wenn man den Zweck und die Prinzipien der Dinge betrachtet und IHM zuordnet,
endet bei IHM das Zugeschrie-bene. ER ist der Letzte, denn ER ist das
wahre Ziel in jedem Wünschen. Das Ziel liegt etwa im Glück in der Frage: „Warum
hast du Wasser getrun-ken?“ Du antwortest „Um der Veränderung des Befinden
willen.“ Man fragt: „Warum wolltest du das Befinden verändern?’’ Du antwortest:
„Um der Gesundheit willen.“ Man fragt: „Warum hast du Gesundheit gewün-scht?“
Und deine Ant-wort lautet: „Um des Glücks und des Guten willen.“ Daraufhin wird
keine Frage mehr gestellt, auf die man antworten müsste, denn Glück und Gutes
wünscht man um ihrer selbst und nicht für etwas Anderes... ER ist der erste
Geliebte und deswegen ist ER der Letzte eines jeden Zieles. Er ist der Erste im Gedanken, der Letzte beim Erhalten, ER.“
Man hält es für
wahrscheinlich, dass diese philosophische Erklärung Plotins oder allgemein
einer neuplatonischen Methode zuzuschreiben ist, denn sie enthält Ausdrücke,
die die Lehre „Auslese und Auswahl“ spüren lässt, wie der Ausdruck das
Existierende für Anderen, der auf die Ansicht des Aristoteles zurückgeht, neben dem
Ausdruck aus ihm hervorgehen, der die Ansicht Platons repräsentiert.[7]
Dieser Typ ist
der der Interpretation.[8]
Er ist präziser und tiefgehender als der vorangegangene Typ. Damit meine ich
die Interpretation der relig-iösen Wahrheiten mittels dem, was mit den
philosophischen Ansichten oder dem Unterwerfen dieser Wahrheiten für diese
Ansichten im Einklang steht.. Ibn Rušd (Averroes) sagt: „Wir, die Muslime,
erklären mit Entschie-denheit, dass die Beweissicht zu keinem Widerspruch dessen
führt, was im Gesetz[9]
erschienen ist, denn die Wahrheit steht ja zur Wahrheit nicht im Widerspruch,
sondern steht mit ihr im Einklang und ist für sie ein Zeuge.“
Ist dies nun der Fall und führt die Beweissicht zu irgendwelchen Kenntnissen irgendeiner existierenden Sache diese existierende Sache stets durch die Gesetzgebung entweder verschwiegen oder erwähnt. Verschweigt die Gesetzgebung diese Sache, gibt es hier auch keinen Wider-spruch, wie etwa die Urteile, die die Gesetzgebung nicht erwähnt und die der Rechts-gelehrte durch den gesetzliche Analogieschluss herausfindet. Spricht die Gesetzgebung diese Sache aus, wird dieses äusserliche Erwähnen stets mit den Ergebnissen der Beweisführung entweder in Einklang oder in Widerspruch zu ihnen stehen. Steht sie mit der Beweisführung im Einklang, braucht man nicht mehr darüber zu sprechen. Steht sie indes zur Beweisführung im Widerspruch, ist ihre Interpretation erforderlich.[10] Diese Art findet man zwar auch bei Al-Fārābī, aber ihr Vorhandensein ist besonders deutlich bei Ibn Sina. Dagegen findet man sie kaum bei Iḫwānu-s-Safā.
Der Einklang
bei Ibn Ruschd liegt weniger zwischen den Problemen der Religion und denen der
griechischen Philosophie als vielmehr zwischen der Natur des Verstandes und der
Natur der Religion respektive zwischen den Zielen der Philosophie und denen
der Religion. Er sagt: „Hieraus ist deutlich geworden, dass die Sicht der
Bücher der Alten pflichtgemäss der Gesetzgebung ist, denn ihr Sinn in ihren
Büchern und ihre Absicht ist das Ziel, zu dem die Gesetzgebung uns anspornt.
Wer diejenigen, die auf derar-tige Bücher ihr Augenmerk richten können – nämlich
diejenigen, die sowohl von Natur aus intelli-gent sind als auch gesetzmässige
Gerechtig-keit sowie wissenschaftliche und moralische Tugend besitzen –, den
Einblick verbietet, der verwehrt den Leuten die Tür, durch die das Gesetz die
Leute zum Kennenlernen Gottes aufruft. Diese Tür ist die Tür des Betrachtens,
das zum wahrhaftigsten Erkennen Gottes führt, und jenes Verbieten bedeutet
äusserste Unwissenheit und Entfernt sein von Gott, dem Erhabenen.[11]
Der Einklang
der Sufis – vor allem Ibn Arabi – zwischen Religion und Philosophie liegt einer metaphorischen
Erklärung näher als eine Interpre-tation gemäss dem Sprachgebrauch. Denn wenn
die Nicht-Sufis unter den Philosophen der Muslime manchmal ein Auseinanderklaffen
zwischen den philosophischen Ansichten und den religiösen islamischen
Ansichten finden, die sie in Einklang zu bringen versuchen, finden sie nun sehr
oft eine Annäherung zwischen den beiden Arten, und zwar insbesondere dann, wenn
die philosophischen Ansichten aus den Lehren Platons herrühren. Was nun aber
die Lehrmeinung der Sufis betrifft, so kann deren Grundlage sich extrem weit
von der des Islam entfernen. Goldziehrr sagt: „Es ist nicht einfach für die
Sufis des Islam, Gedanken des Sufismus im Qurʾān aufzu-finden oder ihre
Auffassung von der Religion oder von der Welt durch das Heilige Buch zu beweisen;
denn es ist schwer sich religiöse Ansichten vorzustellen, die miteinander im
Widerstreit stehen, als da sind der wahre Islam und der Sufismus. Im Islam findet
man das rationale Verständnis für die Trennung Gottes von der Welt, wohingegen
es im Sufismus die dogma-tische Annahme der Immanenz Gottes in der Welt gibt.
Der Versuch,
Sufismus und Islam in Einklang zu bringen, muss ergo auf starkem
Zusammenbringen der beiden Parteien und sogar noch besser auf einem starken Annähern
der Qurʾān-Texte in Richtung Sufismus beruhen. Es ist mithin nicht so einfach
in religiösen Begriffen durch das, was man positivistische Bedeutung nennt, wie
etwa primäre Bedeutung, oder durch die sogenannte sekundäre Bedeutung, das
heisst die metaphorische Bedeu-tung, etwas zu finden, was die Grundlage des
Sufismus liefert. Dement-sprechend kann es also gar keinen Zweifel geben, dass
für den Fall, dass die religiösen Begriffe die sufistischen Bedeutungen
enthalten und man diese durch jene interpretieren kann, die Bedeutung jener
Begriffe so wie die Hinweise darauf angesehen wird.. Mit anderen Worten: Diese
Bedeu-tung entspricht nicht der allgemeinen Sprachgepflogenheit und dem
laufen-den Typ bei der Benennung ihrer Begriffe für ihre Bedeutungen und für das
Verstehen dieses von jenem.[12]
Die zweite Typ
Einklang bei den Gruppen
der Scholastik
Der Einklang mittels der Interpretation beschränkte sich
nicht nur auf die Philosophen; auch die Scholastiker machten von dieser
Gebrauch. Die ʾAšʿariten und die Muʿtaziliten
interpretierten den Qurʾān-Vers des Sich-Niederlassens auf den Thron und die
Geschichte des Herabsteigens und andere Qurʾān-Verse, die vom äusseren
Anschein die Ähnlichkeit Gottes, des Erhabenen, mit den Vorgängen beweisen.
Darüber hinaus interpretier-ten sie die Qurʾān-Verse, deren äusserer Sinn mit
anderen deutlichen Qurʾān-Texten im Widerspruch steht.
Ferner machten
fast alle islamischen Gruppen von der Interpreta-tion Gebrauch um ihre
Ansichten und die Texte des ehrwürdigen Qurʾāns und der Propheten-Ḥadīṯe in
Einklang zu bringen. „Selbst wenn der Qurʾān nichts enthielte, was einige
dieser Versuche unterstützte, muss man unbedi-ngt jeden Versuch dieser Art aufs
Geratewohl unternehmen.[13]
Enthielten einige der Begriffe des Qurʾān keine Wahrscheinlichkeit, deren
Herleitung zwei oder mehrere Aspekte hervorbrächte, wäre die Komplikation eine
der hervorragendsten Merkmale dieser Herleitung!! Eine derartige Wahrschein-lichkeit
ist kein Sonder-fall des Qurʾān, insofern als er der Qurʾān ist, son-dern gilt
als Besonderheit für die Sprache im Allgemeinen, denn dies gehört zu deren
Natur. Die „Wahrheit” und die „Metapher” sind nichts weiter als zwei Sypole
dieser Natur; sie sind zwei Disziplinen der Wahr-scheinlichkeit!
Prof. Dr. M. Shama
* *
*
[1]
Numan Bril, S. 7
[2] Schama, S. 4f.
[3] Vgl. Refat, S. 3.
[4] Ibid., zitiert nach Muhammad Kamal
Ibrahim Ğacfar, in: Philosophie: Studien und Texte, Verlag der
Wissenschaften, 1976, S. 63.d
[5])
A.a.O., zitiert nach Al-Kindi bis Muctasim Bi-llah, in: Die
Erste Philosophie, S. 73.
[6] Alhi, S. 143, 191
[7])
Weitere Beispiele für diese Orientierung siehe Al-Bahiyy, S. 210ff.
[8])
Interpretation bedeutet das Ableiten der Bedeutung eines Ausdrucks aus
einer wahren Bedeutung zu einer metaphorischen ohne Verstoss gegen die
arabische Sprache bei Metaphern wie die Benennung einer Sache durch dessen Ähnliches, Grund,
Folgendes, Vergleichs oder Anderes, was man= =zu Definitionen der Kategorien
metaphorischer Aus-sagen zählt... Wir bestimmen mit aller Entschiedenheit, dass
alles, zu dem ein Beweis führt und was dem äusseren Anschein des Gesetzes
wider-spricht, dass jener äussere Anschein nach den Regeln der arabischen
Interpretation als Interpretation akzeptiert
wird. Diese Angelegenheit bezweifelt kein Muslim und beurteilt kein Gläubiger=
=skeptisch. Was ist höher zu schätzen als der Zuwachs an Überzeugung bei dem,
der diese Bedeutung betreibt und versucht und dieses Ziel des Kombinierens
zwischen Rationalem und Überliefertem beabsichtigt! (Ibn Rušd, S. 32f.)
[9] ) Gemeint: Gottesgesetz.
[10])
Ibn Ruschd, S, 31f.
[12])
Al-Bahiyy, S. 223f.
[13]) Ahmad Ibn Chābit von den Muctaziliten
sah die gleiche Meinung von Christen, die dem Messias einen Teil der
Göttlichkeit gaben. Er benutzt für die Bestätigung seiner Meinung einige Verse des
ehrwürdigen Qurʾān und edle Ḥadīṯe. Aš-Šahrastānī zitiert nach ihm (Teil 1, S.
89, hrsg. von Badrān) Folgendes: „Der Messias zieht die Schöpfung im Jenseits
zur Rechenschaft, und das ist die Bedeutung der Worte des Erhabenen Und dein Herr kommt und die Engel, Reihe um
Reihe. (Sure 89, 22). Er ist es auch, der durch Schatten-dächer der Wolken
kommt. Er ist auch mit den Worten des Erhabenen gemeint ...oder dass dein Herr kommt... (Sure 6, 158). Er ist auch gemeint
mit den Worten des Propheten (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!) Gott
erschuf Adam in Gestalt des Allerbarmers und mit seinen Worten Der
Allgewaltige stellt SEINEN Fuss in das Höllenfeuer. Ahmad Ibn Chābit
interpretierte auch seine Worte (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!) Ihr
werdet euren Herrn am Jüngsten Tag sehen, wie ihr den Mond in der Nacht des
Vollmonds sähet. Mit dem Sehen meinte er das des allerersten Verstandes,
der der allererste Schöpfer ist. Er ist auch der effektiv aktive Verstand, aus
dem sich die Bilder alles Vorhandenen
reichlich ergiessen. Der Prophet (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!)
meinte diesen Verstand durch seine Worte: Das erste, was Gott, der
Erhabene, erschuf, war der Verstand, dann sagte ER zu ihm: „Komm!... Er ist
es, der sich am Jüngsten Tag zeigen wird und die´= =Schleier zwischen ihm und
den aus ihm stammenden Bildern werden gehoben und so wird man ihn ganz klar
sehen.“ Was nun aber den Allgewährenden Schöpfer des Verstandes betrifft, so
kann man ihn überhaupt nicht sehen. S. (92, Teil I Die Religionen, (Badrān).
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