25. DIE HIĠRAH
Die menschlichen Gesellschaften wogen seit alters her in
unterschied-lichen Strömungen, widerstreitenden Orientierun-gen und
unvereinbaren Ideologien. Freilich ist eine Klassifi-zierung menschlicher
Neigungen möglich, die den Ausgangs-punkt dieser Orientierungen und die Quelle
jener Ideologien in zwei Hauptfaktoren darstellt, nämlich das Gute und das
Böse. Die menschliche Seele pendelt zwischen beiden Fakto-ren hin und her. Denn
das Handeln und das Verhalten des Menschen in der Gesellschaft ist entweder
durch Merkmale charakterisiert, die ihn sich zum Guten neigen lassen, oder ihn
beherrschen Motivationen, die ihn zum Weg des Bösen und Sündhaften locken.
Die Menschen sind hinsichtlich der Festlegung der Chara-kteristika des
Guten und des Bösen unterschiedlicher Mei-nung, und deshalb befinden sie sich
in einem ständigen Konf-likt bezüglich dessen, zu was sich das Individuum
verpflich-ten muss um für sich selbst wie auch für seine Gesellschaft
rechtschaffen zu sein, sowie in einem fortwährenden Streit hinsichtlich der
Festlegung der Merkmale des Bösen, von dem sich der Mensch fernhalten soll. Es
gibt zahlreiche Prinzipien, deren Bewertung von einem Menschen zum anderen
untersch-iedlich ist. Während der Eine meint, dass sie gut und für die
Gemeinschaft geeignet sind, ist der Andere der Ansicht, dass sie Schaden für
das soziale Leben hervorrufen. Diese Meinu-ngsverschiedenheit wird deutlich in
der Historie der Prophe-ten mit deren Völkern. Denn während sie die Leute zu
dem aufriefen, in dem deren Wohlergehen im Diesseits und deren Erfolg im
Jenseits lagen, bestand deren Reaktion auf sie im Abstreiten und im Widerstand,
der zuweilen körperliche Ver-letzung erreichte, da sie annahmen, dass das, was
sich bei ihnen befand, das Richtige sei, was wiederum eine Pflicht für die
Gesellschaft sei dies zu bewahren und auf nichts davon zu verzichten. Was ihnen
nun aber ihre Propheten brach-ten, war eine Angelegenheit, hinter der nichts
Gutes steckte, sondern nur ketzerisch Neues, von dem sie nichts außer dem
Aspekt kannten, der ihnen Ruin und Zerstörung bringen werde.
Als die Propheten mit der Übermittlung ihrer Botschaft be-auftragt
waren, egal was für Widerstand und Abstreiten auch immer ihnen begegnen würden,
fuhren sie fort, ihre Völker zum Glauben an das aufzurufen, was sie von Gott
brachten. Es glaubten indes nur sehr wenige an sie, die für die Abstrei-tenden
und sich Widersetzenden zu einem Ziel von Belästi-gungen wurden. Die schärfste
Form des Widerstands, die die Historie der Propheten überhaupt kennt, war der
Widerstand der Bewohner Mekkas gegen den Islam. Sie verstanden sich meisterhaft
auf das Zufügen von Verletzungen gegenüber denjenigen, die an den Islam
glaubten: Sie schlugen sie und peinigten sie in einer für den Menschen überhaupt
nicht vorstellbaren Weise in der Bekämpfung der einladen-den Aufrufe, was den
Gesandten Gotts (Gott segne ihn und sche-nke ihm Heil!) dazu veranlasste, die
Gepeinigten zur Auswan-derung nach Äthiopien aufzufordern, zumal sie sich nicht
mehr zu helfen wussten. Tagtäglich mussten sie von den Islam-Leugnern der
Quraisch ohne jede Rücksichtnahme und Barmherzigkeit Schläge sowie Ohrfeigen
des Hohnes einste-cken, die ohne jeden Anstand und ohne jedes Mitgefühl waren.
So blieb für den Propheten Gotts (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!)
angesichts dieser ungleichen Situation nur die Erlaubnis zur Auswanderung
übrig, damit die Gläubigen in ferne Gegenden der Erde abreisten und sie
vielleicht jeman-den fänden, der den Aufruf zu Gott hörte und voller Mitgefühl
war und dem einladenden Aufruf Gotts Folge leistete. So wäre dies auch eine Verbreitung
des islamischen einladenden Aufrufs.
Die Hiǧrah ist das einzige Mittel für die schwache Minder-heit, denn
selbst wenn deren Glaube an ihren einladenden Aufruf ihr etwas an Macht gibt,
mit der sie die Arten der Verletzung erdulden kann, sowie an Gewissheit, die
sie sich gegenüber den Formen der Gewalt und Abschreckung behau-pten lässt, und
an Hoffnung auf die Zufriedenheit Gotts und DESSEN Vergebung, was sie zum
Opfern mit deren Blut und Gut veranlasst, sind diese Gläubigen, die sich Tag
und Nacht der Verletzung entgegenstellen, doch nur Menschen, die begrenzte
Kraft im Er-dulden haben. Somit bestand die einzige Lösung darin, dass sie
dorthin auswanderten, wo sie Sicherheit für ihr Leben und Freiheit beim Ausüben
dessen, wozu sie ob ihres Glaubens verpflichtet waren, fanden.
Da es nun der Wille Gotts erforderte, dass der islamische einladende
Aufruf seinen normalen Weg geht, der den von Gott entworfenen Gründen für den
Wandel der menschlichen Gesellschaften unterworfen ist, löste Gott, DER Inhaber
von Macht und Autorität in Allem, das Problem zwischen den schwachen Muslimen
in Mekka und dem Verletzen der Machthaber von Quraisch nicht. Vielmehr ließ ER
den Konf-likt nach dem Gesetz des Lebens weitergehen, damit die frü-hen Muslime
ein nachahmenswertes Vorbild für die Nachko-mmen bei der Verteidigung ihres
Glaubens seien. Als das Verletzen der Quraisch gegen die Muslime sich
verstärkte, erlaubte Gott den Muslimen die Hiǧrah nach Medina. Sie pflegten
heimlich und weit von den Augen von Beobachtern auszu-wandern, damit sie nicht
verletzt wurden oder den Fort-gang der Hedschra dorthin, wohin es ihnen der
Gesandte Gotts (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!) auftrug, verhinderten.
Ein Beleg dafür, dass Gott, der Hocherhabene, den Vor-gang der Hedschra
nach den Gesetzen des Lebens fortwähren ließ, ohne dass ER durch ein Wunder
intervenierte, das hätte verhindern können, dass die Muslime Verletzungen
ausgesetzt sind, wanderten die etwas mächtigeren und stärkeren Muslime offen am
Tag vor den Augen der Islam-Leugner von den Quraisch aus und forderten diese
heraus ihnen zu folgen. Das zeigt sich etwa an ʿUmar Ibn Al-Ḫaṭṭāb (möge Gott
an ihm Wohlgefallen haben!). Es wird berichtet, dass er mit gezück-ten Waffen
auszog und sagte: „Wer will, dass ihn seine Mutter verliert oder sein Sohn eine
Waise oder seine Ehefrau eine Witwe wird, soll mir bis hinter dieses Tal
folgen.“ Nie-mand sah sich im Stande ihm nachzufolgen um ihn an der
Auswanderung zu hindern.
Darüber hinaus waren die Maßnahmen, die der Gesandte Gotts (Gott segne
ihn und schenke ihm Heil!) bei seiner Hiǧrah ergriffen hatte, durch äußerste
Besorgnis sowie genaue Organisation geprägt. Die Muslime sollten dadurch
wissen, dass Angelegenheiten nicht durch Planlosigkeit angepackt werden,
sondern dass vielmehr aufmerksames Prüfen, einwan-dfreies Organisieren und exaktes
Ausüben notwendig sind. Der Prophet plante seine Hedschra also präzise. Als er
wusste, dass die Qureiš ihn vor seinem Aufbruch zur Hiǧrah nach Jaṯrib töten wollten, wies er ʿAlī Ibn ʾAbī
Ṭālib an in seinem Bett zu schlafen, damit dieser den Leuten vortäusche, dass
der Prophet noch in seinem Haus sei. So verfolgten sie den Pro-pheten nicht,
wodurch dieser wiederum genügend Zeit zur Durchführung der folgenden Planung
hatte, nämlich sich in der Höhle zu verbergen.
Seine Auswahl der Höhle war ebenfalls ein Beweis für die Genauigkeit
seiner Planung in einer Art und Weise, die einen Menschen überwältigt vor
diesem Verstand stehen lässt, der eine andere Richtung als die Richtung nach
Medina als Irre-führung der Verfolger wählte. Man muss hier einfach zuge-ben,
dass es sich um eine Offenbarung Gotts handelte, denn der Gesandte Gotts (Gott
segne ihn und schenke im Frieden!) war ja ein ungelehrter Mann, der nicht
geschult ist zu einer derartigen Tarnung, von der nur Leute Ahnung haben, die
durch das Studium der Historie Arten von Tricks kennen lernen, die ihnen die
Fähigkeit zum Entwerfen eines derart genauen Planes verleihen.
Als Vervollständigung des Planes vergaß der Prophet auch nicht ʿAbdullah
Ibn ʾAbī Bakr damit zu beauftragen Neuig-keiten bei den Treffen der Qureiš zu
erlauschen und diese Neuigkeiten mit ʾAsmāʾ zu ihm zu schicken. ʿAbdullah
sollte nicht selbst mit den Nachrichten zum Propheten gehen, und zwar aus
Furcht, dass die Qureiš ihm auflauern und durch dessen Verfolgung den Ort des
Gesandten (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!) erfahren könnten. Des Weiteren
beauf-tragte der Prophet den Diener Abī Bakrs,ʿĀmir Ibn Fuheirah, an mit
Schafen vorüberzuziehen um die Spuren von ʾAsmāʾ zu verwischen. Darüber hinaus
pflegte dieser Diener den Propheten und dessen Freund mit Milch zu versorgen,
die notwendigerweise für deren Mahlzeit war.
Der Gesandte Gotts (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!) blieb mit
seinem Freund drei Tage in der Höhle, damit die Qureiš sich beruhigten und die
Hoffnung auf deren Auffinden aufgaben. Dann kam zu ihnen beiden ʿAbdullah Ibn
Al-ʾUreiqiṭ mit zwei Reitkamelstuten – und zwar nach dem entworfenen Plan – und
die beiden brachen auf und wandten sich in Richtung Medina. Trotz der
Genauigkeit des Plans und der Präzision der Durchführung pflegten die beiden
Gott, den Hocherhabenen, um Unterstützung zu bitten. So beschützte Gott die
beiden und wachte über sie und ließ sie über diejenigen, die nach ihnen
suchten, triumphieren. Gott sagt die Wahrheit, wenn ER sagt:
„Wenn
ihr ihm nicht beisteht, so hat ihm bereits Gott beigestanden, als ihn
diejenigen, die den Islam leugneten, vertrieben, als zweiten von zweien, als
beide in der Höhle waren, als er zu seinem Gefährten sprach: „Sei nicht
traurig! Fürwahr, Gott ist mit uns!“ Da sandte Gott SEINE Ruhe auf ihn hinab
und unterstützte ihn stärkend mit Soldaten, die ihr nicht saht. Und ER machte
das Wort derjenigen, die den Islam leugneten, zum niedrigen und das Wort Gotts
als das höchste. Und Gott ist allmächtig, allweise.“ (Qurʾān, Surah 9,
Vers 40)
Als der Gesandte Gotts (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!) nach
Medina kam, begegnete er einem sehr komplizier-ten wirtschaftlichen Problem.
Und zwar sah er sich einer Gesellschaft gegenüber, die aus den Einwohnern von
Jathrib bestand, die sesshaft in ihren Häusern waren und über Besitz und Vermögen
verfügten, und aus den Ausgewanderten, die ihre Häuser sowie ihren Besitz und
ihr Vermögen in Mekka gelassen hatten und von dort mit leeren Händen
aufgebrochen waren und nichts mitgebracht hatten, was ihnen beim Erwerb ihres
Lebensunterhalts hätte helfen können. Was sollte er also tun?
Sollte er das Vermögen der Reichen von Jathrib konfis-zieren
und dieses unter den Bedürftigen verteilen?
Er tat das nicht!
Denn das, was er tat, sollte ja wohl eine Gesetzesnorm werden, der die
Muslime unter derartigen Verhältnissen zu folgen hatten. Da Gott nun weiß, was
den Gesellschaften nutzt, inspirierte ER den Propheten jenes Konfiszieren eben
nicht zu praktizieren, da es sich nicht um die optimale Lösung handelte. Die
Ereignisse der Historie bestätigten auch den Misserfolg dieses Kurses beim
Lösen wirtschaftlicher Prob-leme in den menschlichen Gesellschaften.
Verlangte er angesichts dieser Situation von den
Mittel-losen Geduld, bis Gott einen Ausweg ankündigen würde?
Nein! Er tat das nicht!
Und wenn er es getan hätte, wäre es eine Angelegenheit des
Sich-Unterwerfens und Sich-Ergebens angesichts der Wirtschaftskrise gewe-sen,
ganz zu schweigen davon, dass es das Sich-Zufriedengeben mit den sozialen
Verhältnissen und deren Status quo bedeutet hätte, wo es also Wohlhabende gab,
die sich ihres Reichtums und ihres Besitzes erfreuten und ein Leben des
Wohlstands lebten, während es Brüder von ihnen in der Gesellschaft gab, die
sich vor Hunger krümmten, weil sie nichts fanden, wovon sie sich hätten
ernähren können. Und es hätte nichts gegeben, was die Reichen dazu verpflichtet
hätte jenen Bedürftigen Unterstützung anzubieten.
Aus diesem Grund verankerte der Prophet eine einzigartige Grundlage in
der Menschheitsgeschichte, nämlich die Verbrü-derung zwischen den aus Mekka
Ausgewanderten und den in Medina Helfenden. Das heißt, jeder Helfende nahm sich
einen Bruder von den Ausgewanderten. Zu den Anforderungen an die Verbrüderung
gehörte die Unterstützung bei der Überwin-dung der Krisenphase. Der Gesandte
(Gott segne ihn und schenke im Frieden!) legte die Art der Hilfe nicht fest,
dass also etwa der Helfende mit dem Ausgewanderten sein Vermö-gens teilen oder
der Ausgewanderte von dessen Einkommen essen soll, denn das wäre ja eine Art
des Konfiszierens gewe-sen. Vielmehr überließ der Prophet dies dem Gewissen des
Muslim und der jeweiligen Situation der beiden Brüder. Und deshalb finden wir
auch Aspekte des Gesprächs zwischen dem Gesandten (Gott segne ihn und schenke
ihm Heil!) und den Helfenden sowie zwischen den Ausgewanderten und den
Helfenden, die uns das erste Ziel dieser Verbrüderung klar machen. Es ist
überliefert, dass der Gesandte Gotts (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!) zu
den Helfenden sagte: „Eure Brüder ließen Vermögen und Kinder und kamen zu
euch.“ Da erwiderten sie: „Wir teilen unser Vermögen unter uns.“ Der Gesandte
Gotts (Gott segne ihn und schen-ke ihm Frieden!) entgegnete: „Gibt es nicht
etwas anderes?“ Die Hel-fenden fragten: „Und was sollte das sein, o Gesandter
Gotts?“ Er antwortete: „Sie sind Leute, die das Arbeiten kennen. Es reicht
ihnen, wenn ihr mit ihnen die Früchte teilt!“ Das heißt, übertragt ihnen Arbeit
auf den Feldern unter der Bedingung, dass sie die Hälfte deren Erträge nehmen!
Einmal geschah es, dass einer der Helfenden seinem Bruder von den
Ausgewanderten anbot mit ihm sein Vermö-gen zu teilen und er die Hälfte davon
nehmen solle um davon zu leben. Der Ausgewanderte lehnte aber diesen Vorschlag
ab und sagte: „Möge Gott dein Vermögen für dich segnen! Ich bitte dich
lediglich darum, dass du mir den Weg zum Markt zeigst, damit ich eine Arbeit
ausübe, von der ich mich ernäh-ren kann.“
Die Verbrüderung galt nur als Mittel zum Ausstrecken der Hand zur Hilfe
und Unterstützung derjenigen, die nach Medina ohne Vermögen kamen. Die Umstände
unterschieden sich je nach Person. Bald gab man jemandem eine Gelegen-heit zur
Arbeit, bald half man jemandem durch das Zeigen der Wege zum Verdienen des
Lebensunterhalts in Medina und ein anderes Mal gab man jemandem einen Teil des
Vermögens, mit dem dieser sein Leben beginnen konnte. Auf diese Weise lebte die
Gesellschaft wie eine einzige Familie, die im Glück und im Unglück zusammenarbeitet.
So fühlt der Mensch das, was sein Bruder erleidet, und setzt sich nach bestem
Können für die Verringerung der aufgebürdeten Last aller Schwachen und
Bedürftigen ein, selbst wenn die Angelegenheit den Verzicht auf einen Teil
seiner Besitztümer zu deren Gunsten erfordert. Dies drückte der Gesandte Gotts
(Gott segne ihn und schenke ihm Heil!) durch seine Worte aus: „Die Gläubi-gen
sind bei ihrer gegenseitigen Liebe, ihrem Mitgefühl und ihrer Barmherzigkeit
wie ein einziger Körper: Wenn eins seiner Organe leidet, werden auch alle
anderen Organe über Schlaflosigkeit und Fieber klagen.“
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Lehren, derer sich die Muslime
hinsichtlich der Hedschra bewusst sein müssen, viel sind. Wir haben drei Lehren
davon in dieser Erörterung behandelt, nämlich:
Erstens: Der Islam mutet einem Menschen nur zu, was dieser ertragen
kann. Wenn mithin vom Muslim auf dem Weg des einladenden Auf-rufs Geduld bei
Verletzungen verlangt wird, dann ist die Absicht nicht das Andauern dieses
Zustan-des bis zum Tod, sondern dass man zur Hedschra aufgefordert ist, wenn es
keinerlei Hoffnung gibt sich dieser Verletzung zu erwehren. Dieser Sache müssen
sich die Muslime bewusst sein. Sie unterliegen also den Strömen der Bekämpfung
nicht bis zum Ausmaß eines Massenselbstmords, vielmehr müssen sie nach anderen
Wegen suchen um ihr Ziel mit den kleinst-möglichen Opfern zu erreichen. Sie
sollen nur dann auf das Sich-Opfern zurückgreifen, wenn alle friedlichen zum
Ziel führenden Wege versperrt sind.
Zweitens: Die Muslime dürfen nicht die Angelegenheiten in einer
planlosen Art und Weise laufen lassen, vielmehr müs-sen sie eine ordentliche
Planung aufstellen und Präzision bei der Umsetzung in die Praxis walten lassen
– wie es sie der Gesandte Gotts (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!) durch seine
Planung bei der Hedschra gelehrt hat. Dementsprechend hat das, was von den
Muslimen verbreitet wird, dass sie näm-lich bei ihrem Handeln improvisieren und
in ihrem Verhalten gleichgültig sind, überhaupt nichts mit dem Islam zu tun.
Der Beweis ist, dass ihr Prophet (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!), der ja
durch die Offenbarung unterstützt wurde, dies eben nicht getan hat, als er von
Mekka nach Medina auswan-derte, und zwar nur deshalb, um ihnen ein Beispiel in
der Art und Weise des Verhaltens in derartigen Situationen zu geben.
Drittens: Der Islam verpflichtet die Wohlhabenden dazu ihre Hand zur
Hilfe ihrer mittellosen Brüder auszustrecken. Sofern sie dies tun, entledigen
sie sich des größten Problems, dem sich die Gesellschaft gegenübersieht – der
Armut. Wird die Armut beseitigt, verschwindet auch der Hass der Mittel-losen
auf die Wohlhabenden und wird die Tendenz zur Dünkelhaftigkeit gegenüber den
Armen zunichte gemacht. Auf diese Weise lebt jeder in Brüderlichkeit, in der
jeder den anderen liebt und mit ihm zusammenarbeitet. Und darin liegt das
oberste Ziel, das die menschlichen Gesellschaften wün-schen.
* *
*
26. DER TOD IST NICHT DAS ENDE
FÜR DEN
MENSCHEN
Das Thema, was mit dem Menschen nach dem Tod geschieht, hat einen
großen Bereich des menschlichen Denke-ns auf all dessen Ebenen beschäftigt. Es
ist tief in das Privat-leben des Menschen und in dessen immanente Glaubenssätze
in einem Ausmaß eingedrungen, dass er ihm ein Interesse entgegenbringt, das
alles übersteigt, was es sonst an The-men in allen Lebensbereichen gibt. Die
Philosophen beschäftigen sich mit dieser Frage entsprechend ihren
Orientierungen und Doktrinen. Auch die Religionen erörtern diese Frage – je
nach Vorstellung vom Le-ben – mit deren Erklärungen und Darle-gungen. Das Thema
besetzt den ersten Platz in der Liste der Fragen, auf die der Mensch eine
Antwort sucht, sei es in seinen eigenen Betrachtungen oder in seinen literarischen
Diskussionen und seinen gesellschaftlichen Reden. Der Erfolg einer jeden
philosophischen Doktrin oder ideologischen Rich-tung ist sogar abhängig von
deren Standpunkt gegenüber dieser Frage. Deshalb versuchen alle philosophischen
Doktri-nen das klar zu machen, was sie das Weiterleben nach dem Tod nennen. So
vermehren sich ihre Orientierungen und unterscheiden sich ihre Standpunkte zu
diesem Thema. Diese ideologischen Bemühungen lassen sich in drei Aspekte zusa-mmenfassen.
Der erste Aspekt:
Dieser Aspekt ist das, was der biologische Fortbestand genannt wird.
Das bedeutet, dass wir nach unserem Tod in Gestalt unserer Kinder und
Kindeskinder durch die verschie-denen Generationen fortleben.
Da sich diese Meinung auf die Anwendung biologischer Konzepte
be-schränkt, versichert sie, dass jedes Lebewesen nichts weiter als ein
vor-läufiges Samendepot des Lebens und das Leben des Individuums lediglich ein
Depositum sei, das den Söhnen und Töchtern nach dessen Tod übergeben wird.
Der zweite Aspekt:
Er wird gesellschaftlicher Bestand genannt und bedeutet, dass sich das
Fortleben unserer Existenz nach dem Tod auf die Erinnerungen unserer Familie
und Freunde beschränkt, denn es sind die Individuen, die der Gesellschaft
Höchstleis-tungen zur Verfügung stellen, die für sich einen langen gesell-schaftlichen
Fortbestand ermöglichen. So hängt un-ser Bleiben vom Ausmaß unseres Verdienstes
ab, das heißt wir tragen möglicherweise in der Gesellschaft zu einem Anteil
bei, von dem wir verdienen, dass er das Gedenken an ihn nach unserem Tode ewig
aufrechterhält. Auf jeden Fall bleibt nach unserem Tod alles, was wir an Gutem
und Barmherzigkeit getan haben, bestehen, und wer aus unse-rem guten Willen
Nutzen zieht, wird auf die Bewahrung unseres schät-zenden Gedenkens hinwirken
und unseren Segen lobend hervorheben.
Der dritte Aspekt der Aspekte des Fortbestands des Lebens wird die
charakterliche Unsterblichkeit genannt. Die Vertreter dieser Vorstellung
meinen, dass es einen Konflikt zwischen Gut und Böse in der Welt der Menschen
gibt. So wird das Bemühen eines Individuums, das seine Individualität und seine
persönliche Identität aufgibt und das Übel bekämp-ft, in diesem Bereich zur
Aufgabe eines Stückchens an Bösem führen und ein anderes Stückchen an Gutem an
dessen Stelle setzen. Es ist so, als ob es ein Denkmal bleibt, das an das
Gedenken des Ewigen des Menschen mahnt und dessen Bemühung auf diesem Gebiet
lobend hervorhebt. So meint der Mensch, dass er, obwohl er seiner
Persönlichkeit verlustig gegangen ist, sein Leben nicht sinnlos gelebt hat,
zumal sein Leben mittels dieses Anteils beiträgt zu einer Stellung und zu einem
Ziel, das ihn von unfruchtbarer Nutzlosigkeit fernhält und ihn auf ein
menschliches Niveau mit einer wahren Bedeu-tung erhebt. Dieses Niveau hat seine
Bedeutung und seinen bleibenden Sinn.
Freilich geben diese Vorstellungen dem Menschen, der nicht aufhört sich
selbst zu fragen und dessen Mitmenschen sich danach erkundigen, ob es nach dem
Tod ein Weiterleben gibt oder nicht, keine definitive Antwort. Man vertritt die
Meinung, dass das biologische Fortleben oder der gesellschaf-tliche Bestand
oder die charakterliche Unsterblichkeit – auch wenn es eine unbestrittene
Tatsache ist, allerdings ein bruch-stückhaftes Bild von den Formen des
Fortbestands nach dem Tod – des Nachdenkens darüber gar nicht wert seien. Ist
unsere Existenz nach dem Tod kein Dasein, in dem Individua-lität und
Persönlichkeit bestehen bleiben und ein Andauern von Ziel und Streben
enthalten, wird diese Existenz kein echter Fortbestand mit irgendeiner
vernünftigen Bedeutung sein.
Niemand außer die Religionen hat das Bleiben der Persön-lichkeit nach
dem Tod durch eine die Menschen – mit all deren unterschiedlichen kulturellen
und gesellschaftliche Stu-fen – befriedigende Darlegung behandelt. Sie haben
den Leu-ten dargelegt, dass der Tod nicht ein Ende für sie ist, sondern
vielmehr ein Übergang von einer Phase zu einer anderen Phase oder von der
irdischen Welt zu einer anderen Welt, die sich in ihren Gesetzen und ihren
Bestimmungen von dieser Welt, in der die Menschen leben, unterscheidet. Die Men-schen
werden im Leben nach dem Tod in ihrer Eigenschaft als Individuen weiterleben
und Hoffnungen sowie edle Tätigkei-ten haben – weitgehend dem ähnlich, was sie
hatten, als sie in dieser Welt lebten.
Denn es ist ja so, dass den Menschen, was er auf der Bühne des
diesseitigen Lebens an divergierendem und wider-sprüchlichem Verhalten und
Verfahren der Menschen bei der Anwendung des Prinzips von Belohnung und Strafe
sieht, zur Annahme eines definitiven Glaubens bewegt, dass es nämlich ein
anderes Leben geben muss, in dem die Waage der Gerech-tigkeit sich keiner Laune
beugt, von keinen Klassen- oder Rassenrichtungen beeinflusst wird, in keine
Einöden von Nimbus und Macht fällt und sich zu keinem Zierrat der dies-seitigen
Welt und deren Genuss neigt, als es da gibt das Erlan-gen von Vermögen und das
Genießen von Gelüsten und Vergnügungen. Denn falls das Leben des Menschen bar
dieser Hoffnung ist, wird es befallen von tödlicher Frustration, zers-törerischer
Verzweiflung und Mutlosigkeit, was seine Betei-ligung am Antrieb des
Entwicklungs- und Fortschrittsrades lähmt. Und all dies ist nur deshalb so,
weil der Mensch Tag und Nacht vor seinen Augen Pein sieht, die über die Köpfe
der Hochherzigen gegossen wird, sowie Gunstbezeigungen, die in den Gebieten von
Übeltätern, Totschlägern und Bluts-augern flattern. Er sieht jeden Tag Strafe, die
auf Unschuldige herabfällt, und Orden und Medaillen, die an der Brust derer
angeheftet sind, die sich abscheulichste und grässlichste Ver-brechen gegen die
Rechte von Individuen und Gesellschaften zu Schul-den kommen lassen. Er merkt
durch seine zahlrei-chen Empfindungen, dass viele Leute enorme Reichtümer auf
illegalen Wegen erlangen, ohne dass sie auch nur die gering-ste Anstrengung
aufwenden, während die Anderen sich am Feuer der Belastung auf dem Weg des
Erlangens von dem, womit sie ihr Leben fristen, verbrennen.
Gäbe es also kein anderes Leben, in dem die Rechte zu ihren Trägern
zurückkehren und in dem jeder bestraft wird, der Unrecht begangen oder von
seinem Bruder das Recht ungerechtfertigt genommen hat, sowie in ihm jeder
belohnt wird, der Gutes gegenüber dem Bedürftigen gewirkt hat, dann
überschattete Depression dieses Leben und es wäre wie ein Dschungel, in dem der
Starke den Schwachen zerreißt, ohne dass ihn die Furcht vor der Macht
göttlicher Gerechtigkeit abschreckt.
Der Glaube daran, dass jeder Mensch nach seinem Tod für das, was er im
diesseitigen Leben getan hat, zur Rechenschaft gezogen wird, trägt zur
Stabilität des Lebens in der Gesell-schaft bei und verleiht den Seelen der
Individuen das Gewand innerer Ruhe, wenn sie begreifen, dass die Vergeltung für
Gutes das Gute ist und dass Gott denjenigen bestrafen wird, der eine Sünde
begeht – früher oder später nach dem Tod. Gott, der Erhabene, sagt:
„Aber gewiss! Wer sich Übles
hat zu Schulden kommen lassen und wer in Sünde verstrickt ist, so werden jene
Insas-sen des Höllenfeuers sein und sie werden ewig darin verwei-len. Und
diejenigen, die glauben und rechtschaffene Werke verrichten, jene werden
Insassen des Paradieses sein und werden ewig darin verweilen.“
(Qurʾān,
Surah 2, Verse 81-82)
Und ER sagt auch:
„....Oder wähnen denn diejenigen, die die
Schlechtigkeiten begehen, damit, dass WIR sie wie diejenigen, die glauben und
die rechtschaffenen Werke wirken, gleich werden lassen in ihrem Leben und in ihrem
Tod? Schlecht ist es, was sie urteilen!“ (Qurʾān, Surah 45,
Vers 21)
Wer das Leben nach dem Tod ableugnet, hat für seine Auffassung keinen
Beweis. Vielmehr ist sein Ableugnen auf Vermuten gegründet. Und auf Vermutungen
kann sich keine Ansicht stützen. Das Abbiegen einer Orientierung in eine
Richtung, die für sich das Vermuten als Beleg nimmt, ist nicht statthaft,
insbesondere wenn sich daraus Schaden für das Individuum und für das
gesellschaftliche Leben ergibt.
Wir haben bereits dargelegt, dass der Glaube an ein Leben nach dem Tod
notwendig und erforderlich für das Individuum und für die Gesellschaft ist. Wer
ihn abstreitet, streitet eine vitale Angelegenheit für den Fortbestand des
Lebens ab. Und deshalb kommt diesem Leugner kein Gewicht zu. Dass er sich
lediglich auf Vermutungen stützt, die für ideologische Orien-tierungen, die
einen wichtigen Aspekt im Leben der Men-schen repräsentieren, im Grunde
überhaupt nicht geeignet sind, vermehren noch seine Schwäche. Gott bestätigt
das, wenn ER sagt:
„Und sie sagen: „Es gibt nichts außer unser
irdisches Leben. Wir sterben und wir leben und nichts außer die Zeit vernichtet
uns.“ Und sie haben davon kein Wissen, sie vermu-ten nur.“ (Qurʾān, Surah 45,
Vers 24)
Wer beim Abstreiten eines Lebens nach dem Tod als Beweis die
Undenkbarkeit der Rückkehr von Körpern in ihren ersten Zustand nach deren
Auflösung in Staub nennt, der ver-gisst die Fähigkeit DESSEN, DER sie aus dem
Nichts erscha-ffen hat. Gott, der Erhabene, sagt über denjenigen, der mit ein
paar Knochen in seinen Händen zum Propheten (Gott segne ihn und schenke im
Frieden!) kam, nachdem sie in diesen Zustand geraten waren:
„Und
er führt uns als Gleichnis an und vergisst seine Erschaffung. Er spricht: „Wer
belebt die Gebeine, so sie zerfallen sind?“ Sprich: „Beleben wird sie DER, DER sie erstmals hervorgebracht. Und ER
ist um jegliche Schöpfung wissend.“ (Qurʾān,
Surah 36, Verse 78-79)
Wer hingegen an die Seelenwanderung glaubt, dass also der Geist dessen,
der gestorben ist, den Platz in einem neuge-borenen Wesen einnimmt, kann uns
auf Grundlage dieses Glaubens nicht das Phänomen der Zunahme der Erdbewohner erklären.
Denn wenn jeder Mensch stirbt und dessen jeweili-ger Geist den Platz eines
Menschen einnimmt, der neu gebo-ren wird, woher kommt dann die ständige
Zunahme?
Dies ist doch ein klarer Beweis für die Hinfälligkeit dieses Glaubens
und eine Bestätigung dafür, dass Gott derjenige ist, DER SEINE Schöpfung
vermehrt, wie ER es will. ER infor-mierte uns durch SEINEN Propheten (Gott
segne ihn und schenke ihm Heil!), dass jeder, der stirbt, nach dem Tod wieder
zum Leben erweckt wird und belohnt wird, wer Recht-schaffenes gewirkt hat, und
bestraft wird, wer Sündhaftes begangen hat. Gott, der Erhabene, sagt:
„An
dem Tag wird Gott alle auferwecken und ihnen ver-künden, was sie getan. Gott
hat es registriert und sie haben es vergessen, und Gott ist eines jeden Dinges
Zeuge.“
(Qurʾān, Surah 58, Vers 6)
* *
*
27. DIE RELIGIÖSEN ANSCHAUUNGEN HINSICHTLICH DES
ZUSTANDS DES VERSTORBENEN IN DESSEN GRAB
Die meisten Religionen stimmen hinsichtlich des Prinzips der Vergeltung
nach dem Tod überein. Wer also Rechtschaf-fenes in diesem Leben wirkt, wird
nach seinem Tod belohnt werden, und wer Böses tut, wird je nach dem, was er an
Schlechtigkeiten und Fehltritten verübt, bestraft werden. Frei-lich
unterscheiden sich die Religionen in der Form der Beloh-nung und Bestrafung sowie
deren beiden Orte.
Die Religionen, zu deren Prinzipien das Anerkennen eines anderen Lebens
neben diesem weltlichen Leben nicht gehört, stellen Belohnung und Bestrafung
als ein sichtbares Bild dar, das heißt, dies geschieht schon im diesseitigen
Leben. Der Brahmanismus, der Buddhismus und die anderen Religionen, die die
Seelenwanderung vertreten, also den Übergang der Seele vom Verstorbenen in ein
neugeborenes Kind, meinen, dass die Seele eines rechtschaffenen Menschen ihren
Platz in einem Kind einnehmen wird, dessen Leben leicht und dessen Position im
sozialen Leben höher sein wird als die ehemalige Position.
Wer indes Sündhaftes beging, dessen Seele wird einen Platz in einem
Körper nehmen, der sich auf einer niedrigeren Stufe als der Körper befindet, der
jenes Sündhafte beging. Die Klassifizierung der Grade erfolgt gemäß der Art des
Sündhaf-ten, das der Mensch verübte, sowie gemäß deren Menge und dessen Grad.
Es gibt keinen Zweifel daran, dass diese Glaube-nsrichtung mit dieser
Konzeption der Philosophie der Bestra-fung den Körper vernachlässigt. Hier wird
nicht der Körper, sondern nur die Seele bestraft, was im Widerspruch zur Gere-chtigkeit
steht, denn der Körper genoss zusammen mit der Seele das Leben auch. So muss er
an der Belohnung und Bestrafung beteiligt werden. Bekanntermaßen ist eine Glau-bensrichtung,
die gegen dieses selbstverständliche Prinzip verstößt, weit vom Weg der
Wahrheit entfernt.
Darüber hinaus gibt es Religionen – wie das Judentum –, die nicht
darauf eingehen, was nach dem Tod geschieht. Der Studierende der israelitischen
Bücher sieht, dass sie nichts von der Auferstehung und vom Letzten Tag
erwähnen. Der alte Testament selbst betrachtet vielmehr das diesseitige Leben
als die alleinige Welt des Menschen und entsprechend gibt es keinen Glauben an
die Auferstehung oder an Paradies und Hölle. Das ist eine Entstellung der
Botschaft Gotts, DER uns informiert hat, dass es Auferstehung, Paradies und
Hölle sowie ein Leben nach dem Tod gibt.
In diesen Religionen, die die Erwähnung dessen, was es nach dem Tod an
einem anderen Leben gibt, unterlassen, gibt es keine Erwäh-nung des Zustands
des Verstorbenen in dessen Grab, denn sie erken-nen dies implizit nicht an.
Freilich ist es normal und gemäß dem Verständnis von Gerechtigkeit, dass es
eine Vergeltung für das gibt, was der Mensch im diessei-tigen Leben
präsentiert. Die Vergeltung wird erst dann voll-kommen, wenn sie beide den
Menschen bildenden Elemente, nämlich die Seele und der Körper, umfasst. Dies
berichtet uns der ehr-würdige Koran. So sagt Gott, der Erhabene:
„Und jenes, da es Gott ist, DER die Wahrheit ist, und da ER die Toten zum Leben
erweckt, und da ER einer jeden Sache mächtig ist. Und da die Letzte Stunde
kommt – daran gibt es keinen Zweifel. Und da Gott auferweckt, wer in den Gräbern.“ (Qurʾān, Surah 22, Verse 6-7)
Die Auferstehung ist also eine Wahrheit, denn Gott hat uns über sie
informiert und sie gilt als Verwirklichung der Gere-chtigkeit Gotts, denn das
Leben ist voller Übeltäter, die das Recht der Guten rauben und der Bestrafung
des Diesseits entgehen. Es ist mithin keine Gerechtigkeit, dass man sie ohne
Bestrafung lässt.
Gemäß dem Konzept der Bestrafung im Islam kommt der Verstorbene in
dessen Grab einem Festgenommenen gleich, dessen Angelegenheit zu entscheiden
ist. In der Juristen-sprache: Er ist in Untersuchungshaft. Natürlich
unterscheiden sich die Umstände der Festgenommenen. Wer Rechtschaffe-nes
gewirkt hat, dessen Grab wird ausgedehnt, und wer Böses getan hat, dessen Grab
wird eng. Von ʾUmm Bischr wird überliefert, dass sie berichtete: „Der Gesandte
Gotts (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!) kam zu mir und sagte: «Bittet Gott
um Schutz vor der Qual des Grabes!» Ich fragte ihn: «O Gesandter Gotts! Gibt es
denn im Grab Qual?» Er antwortete: «Fürwahr, sie werden in ihren Gräbern mit
einer Tortur gequält, die das Vieh hört.»“
Wenn nun also der Mensch rechtschaffen ist, wird dessen Grab für ihn
ausgedehnt werden und er bleibt in einer Atmos-phäre der Ruhe, bis er am
Jüngsten Tag auferweckt wird. Von ʾAbī Hurairah wird überliefert, dass der
Gesandte Gotts (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!) sagte: „Der Gläubige in
seinem Grab ist gewiss in einem grünen Garten und sein Grab wird 70 Ellen weit
und für ihn so hell sein wie der Mond in einer Vollmondnacht.“ Es wird auch
überliefert: „Das Grab ist die erste der Stufen des Jenseits. Wenn der Mensch
dem entgeht, wird das Folgende für ihn leichter, und wenn er dem nicht entgeht,
wird das Folgende schwerer.“
Jeder, der gestorben ist und für den Belohnung oder Bestrafung fällig
wird, erhält seinen Anteil, egal ob er begra-ben ist oder nicht. Haben ihn Raubtiere gefressen oder ist er verbrannt
oder im Meer ertrunken, wird sein Körper belohnt respektive bestraft genauso
wie der Verstorbene, der in einem Grab begraben wurde, und zwar als
Verwirklichung des Prin-zips der göttlichen Gerechtigkeit.
* *
*
28. DIE VERBINDUNG ZWISCHEN DEN LEBENDEN UND DEN TOTEN
Niemand bezweifelt – sei er nun Atheist oder ein religiöser Mensch – das
Eintreten des Todes, denn es handelt sich um ein generelles Phänomen, das alle
Menschen jeden Tag sehen. Freilich stellt das, was nach dem Tod passiert, eine
Frage dar, in der die Menschen verschiedener Meinung sind. Die Athe-isten
meinen, dass der Tod das Ende des Men-schen bilde und es kein Leben nach dem
Tod gebe. Der ehrwürdige Qurʾān äußert sich über ihre Meinung, wobei er
darlegt, dass diese sich auf keine wissenschaftliche Grundlage stützt. Der Erha-bene
sagt:
„Und sie sagen: „Es gibt
nichts außer unser irdisches Leben. Wir sterben und wir leben und nichts außer
die Zeit vernichtet uns.“ Und sie haben davon kein Wissen, sie vermu-ten nur.“ (Qurʾān, Surah 45, Vers 24)
Die Umstände des Verstorbenen nach dessen Entfernen aus diesem sichtbaren
Leben sind den Lebenden unbekannt und diese haben kei-nerlei Beweis, der sie
zum Wissen dessen führt, was dem Menschen nach dessen Entfernen aus dem
diesseitigen Leben passiert, es sei denn das, worüber uns die Offenbarung
informiert hat, denn allein Gott hat das Wissen um diesen Aspekt. ER gab dem
Menschen keine Fähig-keit zur Aufdeckung dieses Aspektes. Vielmehr informierte
ER ihn über einen Teil davon mittels der Offenbarung, die ER SEINEN Gesandten
hinabsandte. In diesen Bereich fällt auch die Möglichkeit der Existenz einer
Verbindung zwischen den Toten und den Lebenden.
Es ist feststellbar, dass es keine körperliche Verbindung zwischen den
Toten und den Lebenden gibt. Was nun aber an Phänomenen geistiger Verbindungen
existiert, die zu den Lebenden in Form von Traumbilden in deren Schlaf kommen,
gibt es nichts, was uns die Wirklichkeit dieses Phänomens darlegt.
Dementsprechend kann man dieses Phänomen nicht vollkommen leugnen. Außerdem
haben wir keine schlagenden Beweise für dessen Bestätigung. Vielleicht ist es
Realität und vielleicht sind es seelische Symptome, die in Form von Träu-men
auftreten. Aus diesem Grund soll der Muslim an dessen Existenz, wie es ist,
glauben, das heißt, er soll das Phänomen nicht dahingehend zu interpretieren
versuchen, dass es eine Art Verbindung zwischen Lebenden und Toten sei, zumal
es Koran-Verse gibt, die diese Verbindung zwischen ihnen verneinen.
Gott, der Erhabene, sagt:
„Wenn
dann schließlich zu einem von ihnen der Tod kommt, sagt er: ‚Mein Herr, sende
mich zurück! Vielleicht handle ich Rechtschaffenes in dem, was ich unterlassen
habe. Mitnichten! Es ist fürwahr eine Äußerung, deren Sprecher er ist. Und
hinter ihnen ist eine Schwelle (Barzaḫ) bis zu einem Tag, da sie auferweckt
werden.“
(Qurʾān,
Surah 23, Verse 99-100)
Die Kommentatoren sagen, diese Schwelle sei die Barriere zwischen
Diesseits und Jenseits. Auch werden vom Propheten (Gott segne ihn und schenke
ihm Heil!) die folgenden Worte überliefert: „Wenn ein Mensch stirbt, erlischt
sein Handeln außer dreierlei: ein laufendes Almo-sen, ein nützliches Wissen
oder ein rechtschaffener Sohn, der für ihn Bittgebete spricht.“ Dies bedeutet
indes nicht das Vorhandensein einer körperli-chen respektive seelischen Verbindung
zwischen Toten und Lebenden. Vielmehr ist dies die Darlegung der Kontinuität
der Belohnung dessen, was der Verstorbene in seinem Leben an rechtschaffenen
Handlungen getan hat. Wer also etwas wie ein Landstück oder einen Grundbesitz
oder anderes als from-me Stiftung vermacht, aus dem auf irgendeine Weise ein
kontinuierlicher Gewinn wie etwa für die
Armen und Bedürf-tigen oder unter irgendeinem sozialen Aspekt des
Staates reichlich fließt, dessen Handeln setzt sich fort und seine Belohnung
bleibt auch ununterbrochen, solange sich diese Quelle für diejenigen, die es
brauchen, ergießt. Die Beloh-nung kommt nach seinem Tod nicht zum Stillstand;
vielmehr werden für ihn die guten Taten sogar nach seinem Tod weiter
aufgezeichnet.
Das gilt auch für den, der ein wissenschaftliches Werk hinterlässt, von
dem die Menschen profitieren. Er wird dafür belohnt, solange dieses Wissen
unter den Menschen bleibt und diese aus ihm Nutzen ziehen. Darüber hinaus
profitiert ein Mensch vom Handeln seines rechtschaffenen Sohnes, denn dass er
seinen Sohn gut erzieht, gilt als ein rechtschaf-fenes Tun für ihn selbst.
Solange dieser Sohn lebt und für ihn Bittgebete spricht, nimmt Gott diese
Bittgebete an. Die Verbi-ndung im oben genannten Ḥadīṯ ist keine körperliche
oder seelische Verbindung zwischen dem Toten und dem Leben-den, sie ist
vielmehr eine Darlegung, dass das rechtschaffene Handeln eines Menschen diesem
sogar nach dessen Tod nutzt.
Was unter den Menschen verbreitet ist, dass ein Verstor-bener zu einem
Lebenden im Traum kommt und diesem empfiehlt etwas zu tun oder zu unterlassen
oder er auf ihn böse sei, weil dieser sich auf diese oder jene Weise verhalte,
so gibt es weder vom Qurʾān noch von der
Sunnah für die Authentizität dieser Verbindung zwischen dem Lebenden und
dem Verstorbenen einen Beweis. Am einfachsten lässt sich dies wie folgt
formulieren:
Es handelt sich um eine Verarbeitung dessen, was im Unterbewusstsein
desjenigen, der diesen Traum hatte, abläuft. Das ist ergo kein zuverlässiger
Beweis, auf den man sich bei der Bestätigung einer derartigen Verbindung
stützen könnte.
* *
*
29. DIE AUFERSTEHUNG
Das Wort „Gerechtigkeit“ nimmt bei allen Menschen trotz der
Unter-schiedlichkeit deren zivilisatorischen Niveaus, Ver-schiedenheit deren sozialen
Positionen und Auseinanderklaf-fen deren kultureller Stufen einen hohen Rang
ein. Denn wenn man das Wort „Gerechtigkeit“ bei irgendeinem Konflikt respektive
Streit erwähnt, findet man, dass die Streitenden sich einmütig dem fügen, was
Gerechtigkeit und Geradheit unter ihnen erzielen. So kann ein Opponent das
Prinzip der Anwendung all dessen, was Gerechtigkeit unter ihnen realisie-rt,
nicht anfechten.
Freilich rufen Stil sowie Art und Weise bei der Lösung von Konflikten
nicht in jedem Fall Gerechtigkeit hervor. Ebenso werden Merkmale der
Gerechtigkeit unter den Menschen beseitigt. So findet ein ungerecht Behandelter
niemanden, der ihm sein Recht vom Unterdrückenden gibt, und es gibt keine
Mittel und Maßnahmen, die die Maßlosigkeit dessen, der die Menschen ausnutzt
und sie deren Rechte beraubt, begrenzen. Aus diesem Grund gehört es zur
Weisheit Gotts, dass ER den Menschen im diesseitigen Leben eine Frist gibt,
damit sie tun, was sie ihrem Willen gemäß tun wollen. Dann lässt ER sie nach
dem Tod auferstehen um jeden von ihnen für das, was er tat, zur Rechenschaft zu
ziehen.
Gott, der Erhabene, sagt:
„Und
wenn Gott die Menschen nach dem bestrafte, was sie erworben, ließe ER auf ihrer
Oberfläche keine Kreatur zurü-ck. ER gewährt ihnen jedoch Aufschub bis zu einem
bestimm-ten Zeitpunkt. Wenn nun ihr Zeitpunkt gekommen ist – für-wahr, dann
kennt Gott SEINE anbetend Dienenden sehr wohl!“ (Qurʾān, Surah 35, Vers 45)
Der Glaube an die Auferstehung nach dem Tod ist mithin
eine Not-wendigkeit, die durch die Weisheit Gotts ob der Verwirklichung der
Gerechtigkeit unter den Menschen bedin-gt ist. Wer also Gutes getan hat, dessen
Vergeltung ist Gutes, und wer entgegengesetzt handelt, wird für das, was er im
dies-seitigen Leben getan hat, bestraft. Dies gilt somit als eine der
Grundlagen des Glaubens. Wer dies leugnet, ist kein Muslim. Gott, der Erhabene,
sagt:
„Frömmigkeit ist nicht, dass ihr eure Antlitze gen
Westen oder Osten richtet. Jedoch ist fromm, wer an Gott glaubt und den
Jüngsten Tag (nämlich den Tag der Auferstehung) und die Engel und an das BUCH und
die Propheten...“
(Qurʾān, Surah 2, Vers 177)
Wer an die Auferstehung nicht glaubt, ist bereits vom
rech-ten Weg abgeirrt. Gott, der Erhabene sagt:
„O ihr, die ihr glauben! Glaubt an Gott und SEINEN Gesandten und das
BUCH, das ER auf SEINEN Gesandten hinabkommen ließ, und das BUCH, das ER zuvor
hinabsand-te! Wer Gott leugnet und SEINE Engel und SEINE Bücher und SEINE
Gesandten und den Jüngsten Tag, dessen Fehlge-hen ist ja bereits sehr weit
gegangen.“
(Qurʾān, Surah 4, Vers 136)
Gott, der Hocherhabene, wird den, der die Auferstehung
leugnet, in die Hölle werfen, und zwar gemäß einer Überliefe-rung, dass ein
Mann von den den Islam Leugnenden der Qureiš zum Propheten (Gott segne ihn und
schenke ihm Heil!) mit Knochen kam und sagte: „O Muhammad! Glaubst du, Gott
belebt dies, nachdem es verfallen ist?“ Der Gesandte Gotts (Gott segne ihn und
schenke ihm Heil!) sagte zu ihm: „Ja! ER wird auch dich auferstehen und die
Hölle betreten lassen!“
Dann kamen die Worte Gotts, des Erhabenen, herab:
„Und
er erteilt UNS eine weise Lehre und vergisst seine Erschaffung. Er spricht:
„Wer belebt die Gebeine, so sie zerfallen sind?“ Sprich: „Beleben wird sie DER, DER sie erstmals
hervorgebracht. Und ER ist um jegliche Schöpfung wissend.“ (Qurʾān, Surah 36, Verse 78-79)
Die Bestätigung der Fähigkeit Gotts zur Erschaffung
ganz am Anfang ist ein Beweis für die Möglichkeit zur Wieder-erschaffung, denn
die Wiedererschaffung steht der Realisie-rung näher als die Erschaffung ganz am
Anfang. Zu diesem Beweis kommt noch hinzu, dass der Mensch die Gerechtigkeit
liebt und die Ungerechtigkeit hasst.
Zu dem, woran kein Zweifel besteht, gehört, dass der
Schöpfer vollkommener als das Geschöpf ist. Somit ist auch die Gerechtigkeit
Gotts vollkommener als die Gerechtigkeit des Menschen. Lehnt die Gerechtigkeit
des Menschen die gleiche Behandlung von Unterdrücker und Unterdrücktem, Mörder
und Ermordetem sowie Gehorsamem und Ungehor-samen ab – dann lehnt doch erst
recht ohne Zweifel die gött-liche Gerechtigkeit die gleiche Behandlung von
Gläubigem und Islam-Leugnendem sowie Rechtschaffenem und Freveln-dem ab. Gott,
der Erhabene, sagt:
„Und
WIR erschufen den Himmel und die Erde und was zwischen beiden nicht ohne Sinn
und Zweck. Jenes vermuten diejenigen, die den Islam leugnen. Wehe also denen,
die den Islam leugnen vor dem Höllenfeuer! Machen WIR denn etwa diejenigen, die
glauben und die rechtschaffenen Werke tun, wie die Unmoralischen auf
Erden? Machen WIR denn die Gott Fürchtenden wie die Schamlosen?“(Qurʾān, Surah 38, Verse 27-28)
30. DIE RECHENSCHAFTSABLEGUNG
Zu den grundlegenden Prinzipien, auf denen die Religio-nen beruhen,
gehört der Glaube an die Rechenschaftsable-gung, das heißt, jeder Mensch wird
für das, was er in seinem Leben getan hat, zur Rechenschaft gezogen – Gutes für
Gutes und Schlechtes für Schlechtes. Freilich unterscheiden sich die Religionen
in der Art und Weise der Belohnung und Bestra-fung. Einige von ihnen meinen,
dies werde im Diesseits in Form eines anderen Lebens der Seele nach der
Entwerdung des Körpers sein. Auf Grund dieses anderen Lebens werde dessen
Bestrafung oder Belohnung festgelegt. Einige andere setzen die Vergeltung im
Diesseits fest, und zwar in Form von Hungersnot und Untergang für denjenigen,
der sich Gott widersetzt, und in Form von komfortablem Leben und Macht unter
dem Schutz eines starken Staates für denjenigen, der Gott gehorcht und DESSEN
Lehren folgt.
Was den Islam betrifft, so legt er den Menschen dar, dass es einen Tag
der Rechenschaftsablegung gibt, der nach dem Sammeln der Menschen aus deren
Gräbern sein wird. Gott, der Erhabene, sagt:
„Und
es wird in das Horn geblasen und da eilen sie plötzlich aus ihren Gräbern
hervor zu ihrem Herrn! Sie wer-den sagen: „O wehe uns! Wer hat uns auferweckt
von unserer Ruhestätte? Das ist es, was der Allerbarmer verheißen hat, und die Gesandten
haben die Wahrheit gesprochen!“ Es wird nur ein einziger Schrei sein, und da
sind sie alle plötzlich vor UNS herbeigebracht. Heute wird also keiner Seele
irgendein Unrecht geschehen und euch wird nur das vergolten, was ihr getan
habt.“ (Qurʾān, Surah 36, Verse 51-54)
Der Glaube an den Letzten Tag ist mithin eine grund-legende
Bedingung für die richtige Ausübung des Islam, denn Glaube bedeutet, dass wir
an Gott, DESSEN Engel, DESSEN Bücher, DESSEN Gesandte und an den Letzten Tag,
nämlich den Tag der Auferstehung, glauben, an dem die Seelen zu den Körpern
zurückkehren. Dann stehen die Menschen barfuß und nackt aus ihren Gräbern auf
und die Waagen werden aufge-stellt um mit ihnen die Handlungen der Menschen zu
wiegen. Gott, der Erhabene, sagt:
„Wessen Waagen nun schwer sind, so sind jene die
Erfolg-reichen. Und wessen Waagen leicht sind, so sind jene diejeni-gen, die
ihre Seelen verlieren; sie sind ewig in der Hölle Ver-weilende.“ (Qurʾān, Surah 23, Verse 102-103)
Am Tag der Rechenschaftsablegung werden auch die
Aufzeichnungen ausgebreitet, nämlich die Seiten, auf denen die Handlungen der
Menschen niedergeschrieben wurden, das heißt die Bücher, die die Engel
schrieben und in ihnen alles registrierten, was der Mensch sagte und handelte.
Gott, der Erhabene, sagt:
„Und
wenn die Seiten ausgebreitet werden.“
(Qurʾān,
Surah 81, Vers 10)
Das heißt, wenn die Seiten, auf denen die Handlungen der
Menschen stehen, für die Rechenschaftsablegung ausgebreitet werden, wird jeder
Mensch sein Buch respektive seine Seiten nehmen. Gott, der Erhabene, sagt:
„Und was nun den betrifft, dem
sein Buch in seine Rechte gegeben wird, so wird ihm eine leichte Abrechnung
gerechnet und er wird freu-dig zu seinen Angehörigen zurückkehren. Was aber den
betrifft, dem sein Buch hinter seinem Rücken gegeben wird, so wird er ein
großes Geschrei erheben und einer Höllenlohe ausgesetzt sein.“
(Qurʾān, Surah 84, Verse 7-12)
Ahmad und At-Tirmiḏī überlieferten von ʾAbī Mūsā
Al-ʾAšʿarī, dass dieser gesagt habe, der Gesandte Gotts (Gott segne ihn und
schenke ihm Heil!) habe gesagt: „Die Men-schen werden drei Dingen ausgesetzt;
zwei Dinge, denen sie ausgesetzt sind, sind Streitgespräch und Ausreden und
eine Sache, der sie ausgesetzt sind, ist das Umherfliegen der Seiten. Wem sein
Buch in seine rechte Hand gegeben und eine leichte Abrechnung gerechnet wird,
der betritt das Para-dies, und wem sein Buch in seine linke Hand gegeben wird,
der betritt die Hölle.“
Dementsprechend muss man an die Auferstehung und das
Sammeln aus den Gräbern glauben, wie auch der Glaube an den Tag der
Rechenschaftsablegung Pflicht ist, nämlich an den Tag, an dem die Handlungen
der Menschen Gott vorgele-gt werden. Somit wird das Geschick jedes Menschen
gemäß dem, was er im Diesseits getan hat, festgelegt. Hat er Gutes getan, nimmt
er sein Buch mit seiner rechten Hand und betritt das Paradies, und hat er Böses
getan, nimmt er sein Buch mit seiner linken Hand und betritt das Höllenfeuer.
Wer etwas davon ableugnet, ist ein Islam-Leugner, denn
er leugnet eine Sache ab, die durch den Text des ehrwürdigen Qurʾān erwiesen
ist. Es gibt viele Qurʾān-Verse, die die Exis-tenz des Letzten Tages und die
Rechenschaftsablegung an ihm bestätigen. Zu diesen Versen gehören die Worte des
Erha-benen:
„Und
einem jeden Menschen, WIR haben ihm seinem Nacken seinen Vogel auferlegt. Und
am Tage der Auferste-hung werden WIR ihm ein Buch vorlegen, das er ausgebreitet
vorfinden wird. „Lies dein Buch! Es genügt deine Seele heute als Abrechnende
wider dich.“
(Qurʾān, Surah 17, Verse 13-14)
„Seinen Vogel“ bedeutet hier: Was von ihm an Handlung,
sei es Gutes oder Böses, weggeflogen ist, das ist ihm auferlegt und dem gemäß
wird ihm vergolten.
Ferner hat Gott bei diesem Tag geschworen. Der
Erhabene sagt:
„Nein! ICH schwöre beim Tag der
Auferstehung!“
(Qurʾān, Surah 75, Vers 1)
ER hat uns auch darüber informiert, was an diesem Tag
passiert:
„Verkündet
wird dem Menschen an jenem Tag, was er voraussandte und was er in Rückstand
gerieten ließ.“
(Qurʾān, Surah 75,
Vers 13)
ER sagt auch:
„O
ihr Menschen, fürchtet euren Herrn! Fürwahr, das Erdbeben[1]
der Stunde ist eine gewaltige Sache. Am Tage, da ihr es sehen werdet, wird jede
Säugende vergessen, wen sie säugt, und wird jede Schwangere ihren Fetus
gebären; und du wirst die Menschen trunken sehen, und sie sind nicht trunken.
Aber die Strafe Gotts ist schwer.“
(Qurʾān, Surah 22, Verse 1-2)
* * *
31. DIE FÜRBITTE
Die islamischen Denkrichtungen stimmen darüber überein, dass Gott
niemanden bei SEINER Rechenschaftsablegung am Jüngsten Tag ungerecht behandeln
wird, denn Unterdrückung bedeutet Mangel und Gott ist über jeden Mangel
erhaben. Darüber hinaus folgen Beweise und Belege in einer ununter-brochenen
Form aufeinander, die Meinungsunter-schiede in dieser Angelegenheit aufheben.
Zu diesen Beweisen gehören die Worte Gotts:
„Und das Buch wird vorgelegt und dann siehst du die
Missetäter sich fürchtend vor dem, was in ihm. Und sie sagen: „O wehe uns! Was
für ein Buch ist das! Es übergeht nichts Kleines und nichts Großes, ohne es zu
registrieren.“ Und sie werden, was sie getan, gegenwärtig finden; und dein Herr
tut niemandem Unrecht.“ (Qurʾān, Surah 18, Vers 49)
Und auch SEINE Worte:
„Fürwahr,
Gott begeht auch nicht nur eines Stäubchens Gewicht Unrecht. Und ist da
irgendeine gute Tat, so verviel-facht ER sie und gibt von SICH aus gewaltige
Belohnung.“
(Qurʾān, Surah 4,
Vers 40)
In zahlreichen Ḥadīṯen werden die Androhung Gotts gegen die Unrecht
Handelnden und SEIN Missbilligen des Unrechts sowie Informationen des Propheten
(Gott segne ihn und sche-nke ihm Heil!) an die Muslime darüber, dass Gott niemanden
SEINER Geschöpfe ungerecht behandelt, überliefert.
Gott sieht jedoch möglicherweise über den hinweg, der SEIN Recht
verletzt, und mithin vergibt ER einigen Gläubi-gen. Gott, der Erhabene, sagt:
„Fürwahr, Gott vergibt nicht, dass IHM beigesellt
wird, und ER vergibt, was unterhalb diesem ist, wem ER will...“
(Qurʾān, Surah 4, Verse 48/116)
Die Verzeihung der Sünden ist eine Gunstbezeigung von Gott gegenüber
einem Menschen. Und die Gunstbezeigung ist eins der Merkmale der Edlen. Auf
dieser Grundlage entstand zwischen den Gelehrten eine Glaubensfrage, ob nämlich
die Androhung Gotts ausbleibe, das heißt, ob Gott vielleicht von SEINER
Androhung des Quälens des Sündigen Abstand neh-me und dessen Sünden verzeihe.
Das ist die Meinung der Anhänger der Sunnah. Was aber die Muʿtazilah und die Ḫāriǧīten
betrifft, so leugnen sie dies ab und begründen dies damit, dass der Sündige ein
Vergehen verübt habe und somit seine Strafe erhalten müsse. Sonst entziehe sich
ja ein Sünder der Bestrafung dessen, was er verübte.
Aus dieser Frage erwuchs das Thema der Fürbitte am Tag der Auferstehung.
Alle Denkrichtungen stimmen darin über-ein, dass es keine Fürbitte für einen
Islam-Leugner gibt. Sie unterscheiden sich indes in der Angelegenheit der
Sünder unter den Gläubigen. Die Muʿtaziliten und Ḫāriǧāten vertreten eine
ablehnende Meinung und führen als Beweis dafür die folgenden Worte des
Erhabenen an:
„...
Die Ungerechten werden keinen innigen Freund haben und keinen Fürbitte
Leistenden, dem gefolgt würde.“
(Qurʾān,
Surah 40, Vers 18)
Und auch SEINE Worte:
Und fürchtet den Tag, da eine Seele nichts für eine
andere Seele leistet und keine Fürbitte von ihr akzeptiert und keine Erzatzleistung
von ihr genommen wird. Und es wird ihnen nicht geholfen werden. (Qurʾān,
Surah 2, Vers 48)
Was aber die Anhänger der Sunnah
betrifft, so bestätigen sie die Für-bitte für aufrichtige Menschen und sagen,
dass die Fürbitte auf zwei Dinge beschränkt sei, nämlich Gotts Erlau-bnis für
den Fürbitte Leistenden und Gotts Zufriedenheit mit dem Menschen, für den
Fürbitte ge-leistet wird. Sie belegen dies mit den Worten des Erhabenen:
„...Wer ist es, der bei IHM
Fürbitte einlegt es sei denn mit SEINER Erlaubnis?...“ (Qurʾān, Surah 2, Vers 255)
Und auch mit SEINEN Worten:
„...Und sie legen keine Fürbitte ein – außer für den, mit
dem ER zufrieden ist...“ (Qurʾān, Surah 21, Vers 28)
Sie entgegnen auf die Qurʾān-Verse, mittels derer die Muʿtazilah ihre
Meinung hinsichtlich des Abstreitens der Fürbitte belegt, dass sich diese Qurʾān-Verse
auf die Islam-Leugner beziehen, und es ist bekannt, dass alle darin überein-stimmen,
dass es keine Fürbitte für die Islam-Leugner gibt.
Dementsprechend bestätigen die Anhänger der Sunnah die Fürbitte für
diejenigen Gläubigen, denen Gott es erlaubt. Darüber hinaus bestätigen sie die
Fürbitte für den Propheten (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!). Sie
erwähnen, dass dieser das Recht auf zahlreiche Fürbitten habe; dazu gehöre
seine Fürbitte für die Menschen am Tag der Auferstehung, bis sie beurteilt
werden, und sie ist bekannt als die große Fürbitte zwecks Beschleunigung der
Rechenschaftsablegung und Beruhigung der Menschen vor dem Schrecken der Lage.
Dies gilt als eine Besonderheit für ihn allein unter allen Propheten.
Ferner gehöre dazu seine Fürbitte für ungehorsame Beken-ner des
Eins-Seins Gotts, die ob ihrer Sünden die Hölle betre-ten. Er wird ihretwegen
Fürbitte einlegen um sie aus der Hölle herauszuholen. Ferner seine Fürbitte für
Insassen des Paradie-ses zur Vermehrung deren Belohnung und Erhöhung deren
Ranges sowie seine Fürbitte für Leute, deren gute und schle-chte Taten ausgeglichen
sind. Er wird für sie Fürbitte einle-gen, damit sie das Paradies betreten. Und
seine Fürbitte für einige Islam-Leugner unter seinen Verwandten, die zu den
Insassen der Hölle gehören, damit deren Qual erleichtert wird. Und dies gilt
ganz besonders für ʾAbū Ṯālib.
Einige moderne Forscher sind der Meinung, dass die Für-bitte lediglich
eine Art Vermittlung sei, die man in den men-schlichen Gesellschaften ausübt,
wobei man durch Vermitt-lung dessen, der eine Beziehung zu denen hat, die Macht
besi-tzen, Verfehlungen ausübt ohne dafür zur Rechenschaft gezo-gen zu werden.
Außerdem entfällt die Bestrafung des Misse-täters um der Zufriedenheit des
Machthabers willen. So wer-den die Merkmale der Gerechtigkeit beseitigt – Gott
verbiete, dass ER eine Angelegenheit akzeptiere, die die Ausübung von
Gerechtigkeit unter den Menschen antastet! –, und aus diesem Grund leugnen sie
die Fürbitte ab und interpretieren die Qurʾān-Verse bezüglich dieses Themas wie
es die Muʿatazi-liten in der Frühzeit des Islam taten.
Freilich widerspricht die Realität der Fürbitte dem Kon-zept, zu dem
sie gelangen. Will nämlich Gott einem Misse-täter ob einer Geste in dessen
Leben oder irgendeines lobens-werten Verhaltens verzeihen und gleichzeitig
einen anbetend Dienenden ehren, bewegt ER diesen anbetend Dienenden zur
Fürbitte für den, dem Gott vergeben will. In Wahrheit vergibt Gott diesem
anbetend Dienenden, egal ob der Fürbitte Einle-gende seinetwegen Fürbitte
einlegt oder nicht. Zweck dieser Angelegenheit ist es, dass Gott den Fürbitte
Einlegenden ehren will und so führt ER diesen zur Fürbitte in einer
Angelegenheit, deren Annahme bereits entschieden ist. Durch diese Bedeutung
unterscheidet sich die Fürbitte vom Phäno-men der in unserer menschlichen Welt
existierenden Vermitt-lung. Als Beweis dafür dient, dass die Fürbitte für
jemanden, der Gott leugnet, sowie für den, der andere deren Rechte beraubt,
nicht angenommen wird, bis dieser den anderen durch seine guten Taten deren
Rechte wiedergibt. Verrichtete dieser keine guten Taten, wird von deren
Missetaten genom-men und seiner Rechenschaftsablegung hinzugefügt. Auch gibt es
keine Fürbitte für den, der schwere Sünden verübt.
All dies legt dar, dass die Fürbitte eine Ehrung für den Für-bitte
Einlegenden für den ist, dem Gott verzeihen will, und kein Mittel zum Verlust
von Rechten sowie keinen Freispruch für den, der sich gegen das Recht anderer
versündigt.
* * *
32. DIE
EIGENTLICHEN BEDEUTUNGEN DER ÜBER DAS JENSEITS ANGEFÜHRTEN TERMINI TECHNICI
Gott verleiht dem Menschen den Verstand und inspiriert
ihn zum Nachdenken über die ihn umgebenden Naturphäno-mene. ER verurteilt sogar
den, der seinen Verstand für diese Orientierung nicht benutzt. Der Erhabene
sagt:
„Denken sie denn nicht über sich
selbst nach?...“
(Qurʾān, Surah 30, Vers 8)
Ferner sagt ER:
„Stellen
sie denn nicht Betrachtungen über das Reich der Himmel und der Erde an und was
Gott an irgendeinem Ding erschaffen hat,...“ (Qurʾān, Surah 7, Vers 185)
Der Mensch hat auch schon seinen Verstand benutzt und
äußerst zahlreiche Forschungen zur Aufdeckung der Geheim-nisse der Natur
unternommen. Freilich konnte er trotz des ungeheuren Fortschritts im Bereich
wissenschaftlicher For-schungen zu nur wenigen Geheimnissen der Natur gelangen,
und zwar deshalb, weil der Verstand des Menschen auf eine bestimmte Fähigkeit
begrenzt ist, die er nicht überschreiten kann.
Wenn sein Fall hinsichtlich der ihn umgebenden
Naturphä-nomene also derart aussieht, wird dieser doch erst recht in noch viel
stärkerem Maß auf dem Gebiet der Erforschung dessen, was ihm verborgen ist,
unfähig sein, und das ist die Metaphysik. In das, was mit ihr zusammenhängt,
kann der Verstand nicht eindringen, denn er ist nicht in der Lage sie zu
erreichen. Ihre Quelle ist ausschließlich das Hören, das heißt, was die
Offenbarung mittels eines Propheten, dem sie geoffe-nbart wurde, berichtet. Aus
diesem Grund nennt man diese Art im islamischen Glauben Eschatologie. Zu dem,
was über die Eschatologie überliefert wird, gehö-ren die Informationen über die
Waage, den schwertschneidigen Brückenweg namens Sirat, das Wasserbecken mit dem
für immer Durst löschenden Wasser namens Haud und andere.
Was nun die Waage betrifft, so wird sie im ehrwürdigen
Koran er-wähnt, und zwar in den Worten des Erhabenen:
„Und WIR stellen gerechte Waagen für den Tag der
Auferstehung auf;...“ (Qurʾān, Surah 21, Vers 47)
Und auch in den Worten:
„Was nun aber den betrifft, dessen Waage schwer ist,
so wird er in einer angenehmen Lebenslage sein; und was den betrifft, dessen
Waage leicht ist, so wird dessen Mutter der Höllengrund sein.“ (Qurʾān, Surah 101, Verse 6-9)
Freilich sind die Gelehrten hinsichtlich der
Bestimmung von Gestalt und Form der Waage unterschiedlicher Meinung. Die
Sunniten sagen, sie habe einen Balken und zwei Schalen, und das in ihnen
Gewogene seien die von Gott erschaffenen Seiten der Taten oder
Vorbildlichkei-ten, und Gott, der Erha-bene, wiegt sie entsprechend der
Vergeltung der Taten und gemäß dem, was mit diesen Taten an Belohnung oder
Bestra-fung zusammenhängt. Die Muʿtazilah hingegen bestreitet diese Vorstellung
über die Waage und interpretiert das Wie-gen in Anbetracht guter Taten und
sagt: „Das Wiegen jeder Sache ist dieser angemessen.“
Was aber Şirāṭ
betrifft, so gibt es zahlreiche Qurʾān-Verse, die über den geraden Weg (Sirātu-l-mustaqīm) und über Gotts Rechtleitung
des Menschen zu ihm sprechen. Darüber hinaus gibt es einen Vers, der über den
Weg des Höllenfeuers spricht. Mittels dieser Qurʾān-Verse ver-steht man, dass
dieser Weg den richtigen Weg bei der Rechtleitung und beim vernunft-gemäßen
Handeln bedeutet. Wer also rechtgeleitet ist, besch-reitet den rechten Weg, den
Gott für seine anbetend Dienen-den vorgezeichnet hat, und zwar in den Worten
des Erha-benen:
„Und dass dieser MEIN Weg gerade ist. So folgt ihm
also!...“ (Qurʾān, Surah 6, Vers 153)
Wer aber fehlgeht, weicht vom geraden Weg ab und
tendiert zum Weg zur Hölle, worüber Gott, der Erhabene, wie folgt spricht:
„... „Versammelt jene, die ungerecht handelten und
ihre Gefährten und was sie anzubeten pflegten unter Ausschluss von Gott und
führt sie also auf den Weg des Höllenfeuers!“
(Qurʾān, Surah 37, Verse 22-23)
Freilich gibt es viele Ḥadīṯe, die über den Weg des
Jenseits (Ṣirāṭ) berichten. Darunter
verstehen wir ein ausgestrecktes Gebilde über den Rücken der Hölle, bei dem
alle Menschen eintreffen. Ferner wird in den Ḥadīṯen überliefert, dass dieser
Weg feiner als ein Haar sei. Die Geschwindigkeit der Men-schen auf ihm ist entsprechend
ihrer Taten. Die Muʿatazilah streitet dies jedoch ab und interpretiert Ṣirāṭ als den Weg zum Paradies und als
eindeutige Mittel und als Anbetungshandlun-gen wie Gebet, Sozialpflichtabgabe
und andere Handlungen, mittels derer der anbetend Dienende sich Gott, dem Hoch-erhabenen,
nähert.
Was aber das Ḥauḍ-Becken
betrifft, so gibt es im ehrwürdigen Qurʾān darüber nicht die geringste
Erwähnung. Nur in Ḥadīṯen wird darüber berichtet, wie etwa in dem, den Muslim
von ʾAnas überliefert, dass dieser nämlich sagte: „Als der Gesandte Gotts unter
uns war, hielt er ein Schläfchen. Danach erhob er lächelnd seinen Kopf. Da
fragten wir ihn: «Was veranlasst dich zum Lachen, o Gesandter Gotts?» Er
erwiderte: «Mir wurde soeben eine Surah herabgesandt.» Und dann rezitierte er:
„Fürwahr,
WIR gaben dir den Fluss der Fülle des Guten namens Kauṯar!“ (Qurʾān, Surah 108, Vers 1)
Er fragte: «Wisst ihr, was der Kauṯar ist?» Wir erwiderten: «Gott und SEIN Gesandter wissen es am
besten.» Er sagte: «Das ist ein Fluss, den Gott mir versprach. In ihm ist eine
Fülle des Guten, und er ist ein Wasserbecken, bei dem meine Gemeinschaft am Tag
der Auferstehung eintreffen wird. Seine Gefäße sind so zahlreich wie die Sterne
am Himmel. Der anbetend Dienende zuckt vor ihnen. Dann sage ich: „O mein Herr!
Er gehört zu meiner Gemeinschaft!' Da wird gesagt werden: 'Weißt du denn nicht,
was sie nach dir anrichteten?“
Einige moderne Gelehrte meinen, dass der Glaube an
das, was im ehrwürdigen Qurʾān über die Zustände des Aufer-stehungstages
vor-kommt, Pflicht sei, und dazu gehöre der Glaube an die Existenz der Waage
und anderer Dinge.
Was nun aber die wirkliche Bedeutung der hinsichtlich
der Zustände des Jüngsten Tages erwähnten Termini technici bet-rifft, so muss
man sich bei ihnen auf den Text verlassen. Das heißt, wir glauben an die
Existenz der Waage am Jüngsten Tag, aber deren Form und die Art und Weise des
Wiegens liegen außerhalb unserer Verstandeskraft. Wir sollten mithin nicht
tiefer darauf eingehen, sondern dabei allem folgen, was die Offenbarung oder
authentische Ḥadīṯe über die Zustände des Jenseits wie Sirat-Weg, Ḥauḍ-Wasserbecken
und anderes berichten.
33. PARADIES UND HÖLLENFEUER
Gott beauftragte SEINE Propheten und Gesandten SEINEN anbetend
Dienenden zu übermitteln, dass ER für die Gott Fürchtenden Paradiesgärten des
Glücks und für die sich Auflehnenden das Feuer der Hölle vorbereitet hat, und
zwar in Verwirklichung der Gerechtigkeit im Bereich der Belohnung und
Bestrafung. Der Erhabene sagt:
„Und
strebt eilends nach einer Vergebung von eurem Herrn und einem Paradies, dessen
Ausdehnung Himmel und Erde ist, bereitet für die Gott Fürchtenden!“
(Qurʾān, Surah 3, Vers 133)
Und ER sagt als Information für die sich Auflehnenden:
„Sprich
zu denen, die den Islam leugnen: „Ihr werdet überwältigt und in die Hölle
hineingezwängt werden; und schlimm ist die Ruhestatt!“ (Qurʾān, Surah 3, Vers 12)
Und ER sagt auch:
„Fürwahr,
die Hölle ist eine Wacht – ein Ort der Heim-kehr für die Tyrannen, in ihr
verweilend eine unendlich lange Zeitperiode. Sie kosten in ihr nichts Kühles
und kein Getränk außer siedendes Wasser und stinkende Flüssigkeit als eine angemessene
Belohnung. Sie erwarteten keine Rechenschafts-ablegung und ziehen UNSERE
Zeichen gänzlich der Lüge. Und jede Sache registrierten WIR in einem Buch. „So
kostet nun! WIR werden euch niemals mehr geben außer an Pein!“
(Qurʾān,
Surah 78, Verse 21-30)
Im ehrwürdigen Koran steht eine ganze Anzahl von Namen für das
Paradies. Dazu gehört Haus des Friedens:
„Für sie ist ein Haus des Friedens bei ihrem
Herrn...“
(Qurʾān, Surah 6, Vers 127)
Und ER sagt weiterhin:
„Und
Gott ruft zum Haus des Friedens und leitet recht, wen ER will, zu einem geraden
Weg.“
Qurʾān, Surah 10, Vers 25)
Man nennt das Paradies auch Haus
der Ewigkeit, denn sein Glück ist bleibend und vergeht nicht. Der Erhabene
sagt:
„Fürwahr,
dies ist UNSERE Versorgung, für die es nie ein Versiegen geben wird.“ (Qurʾān,
Surah 38, Vers 54)
Und ER sagt auch:
„...Sein Essen ist immer und sein
Schatten...“
(Qurʾān,
Surah 13, Vers 35)
Ferner sagt ER:
„...und sie werden nie von
ihnen vertrieben.“
(Qurʾān, Surah 15, Vers 48)
Darüber hinaus ist das Paradies unter dem Namen Para-diesgarten Firdaus oder Haus
des Aufenthalts bekannt. Der Erhabene sagt:
„Die den Paradiesgarten Firdaus erben; sie sind ewig
darin Verweilende.“ (Qurʾān,
Surah 23, Vers 11)
ER sagt ferner:
„Die Gärten Eden – sie betreten sie. Geschmückt werden
sie in ihnen mit Armspangen aus Gold und Perlen sein, und ihr Gewand wird in
ihnen Seide sein. Und sie werden sagen: „Der Lobpreis ist Gotts, DER die
Kümmernis von uns genom-men. Fürwahr, unser Herr ist gewiss der stets
Vergebende, der würdigend Dankbare, DER uns in SEINER Huld im Haus dauernden
Aufenthalts ansiedelte. Es berührt uns in ihm keine Erschöpfung, und es berührt
uns in ihm keine Ermattung.“
(Qurʾān,
Surah 35, Verse 33-35)
Des Weiteren wird das Höllenfeuer mit zahlreichen Namen benannt, zu
denen Saqar gehört. Gott, der
Erhabene, sagt:
„Am
Tage, da sie ins Höllenfeuer geschleift werden auf ihren Gesichtern: „Kostet
die Berührung des Höllenbrands! [saqar]!“ (Qurʾān, Surah 54, Vers 48)
Und ER sagt auch:
„ICH
werde ihn einem Höllenbrand [saqar]
aussetzen. Und was lässt dich wissen, was der Höllenbrand ist? Er ver-schont
nichts und lässt nichts übrig, den Menschen versen-gend. Über ihm sind
neunzehn.“
(Qurʾān,
Surah 74, Verse 26-30)
Außerdem wird die Hölle Saʿīr
genannt. Der Erhabene sagt:
„Fürwahr,
der Satan ist euch ein Feind. So nehmt ihn als Feind! Er ruft nun aber seinen
Anhang nichts weiter als des-halb herbei, damit sie zu den Insassen der
lodernden Flamme [Saʿīr] gehören.“ (Qurʾān, Surah 35, Vers 6)
Und ER sagt auch:
„Und
desgleichen offenbarten WIR dir einen arabischen Qurʾān, dass du die Mutter der
Städte (gemeint: Mekka) warnst und wer rings um sie und dass du warnst vor dem
Tag des Sammelns, kein Zweifel ist an ihm – eine Gruppe im Paradiesgarten und eine Gruppe in
einer lodernden Flam-me.“ (Qurʾān, Surah 42,
Vers 7)
Darüber hinaus ist die Hölle unter den Namen Feuer, Ğahannam, Ğaḥīm und weiteren
Namen bekannt, für die der Platz nicht ausreicht um sie alle aufzuzählen.
Hinsichtlich der Erschaffung von Paradies und Hölle vor dem Auferstehungstag
sind die Gelehrten unterschiedlicher Meinung. Eine Gruppe der Muʿatazila
leugnet das ab und behauptet, dass beider Erschaffung vor dem Tag der Beloh-nung
und Bestrafung ja von gar keinem Nutzen sei, wobei sie die Worte des Erhabenen
„...bereitet für die Gott
Fürchtenden“ (Qurʾān, Surah 3, Vers 133) als Beweis dafür anführt, dass diese ob der
Realisierung seines Eintritts als Ausdrucksweise der Zukunft mittels der
Vergangenheit zu sehen seien.
Die Sunniten vertreten die Ansicht, dass das Paradies schon erschaffen
vorhanden sei. Sie belegen dies mit den Worten des Erhabenen:
„Und haltet diejenigen, die um der Sache Gotts willen
getötet wurden, ja nicht für tot! Sie sind vielmehr lebend bei ihrem Herrn; sie
werden versorgt.“
(Qurʾān, Surah 3, Vers 169)
Es ist überliefert, dass Ibn Masʿūd nach diesem Qurʾān-Vers fragte und
ihm gesagt wurde: „Als eure Brüder bei ʾUḥud getötet wurden, legte Gott ihre
Seelen in die Brust grüner Vögel, die an den Flüssen des Paradieses auftauchen,
von dessen Früchten fressen und auf Leuchtern aus Gold im Schatten des Thrones
Zuflucht suchen.“
Ebenso wird von ʾAbī Hurairah überliefert, dass der Prophet (Gott segne
ihn und schenke ihm Heil!) gesagt habe: „Wenn Ramaḍān kommt, werden die
Paradiestore geöffnet, die Höllentore geschlossen und die widerspenstigen
Satane gefesselt.“ Dies und anderes an Qurʾān-Versen und Ḥadīṯen bestätigt ergo
die Existenz des Paradieses und der Hölle zum jetzigen Zeitpunkt.
Freilich wurden einige Gelehrte danach gefragt, und sie entgegneten:
„Das Schweigen darüber ist besser.“ Und das ist in diesem Kontext eine passende
Antwort, denn dies gehört zu den übersinnlichen Dingen, die die menschliche
Vernunft nicht erforschen kann; sie soll vielmehr den Text, so wie er ist, ganz
annehmen ohne dessen Erklärung oder Kommentie-rung zu versuchen, da dies ja
ihre Kraft übersteigt.
* *
*
34. DIE ENGEL
Zu den übersinnlichen Dingen, ohne die der Glaube eines Muslim nicht
vollkommen ist, gehört der Glaube an die Exis-tenz von Engeln, und zwar gemäß
den Worten des Erhabenen:
„Der Gesandte glaubt an das, was zu ihm von seinem
Herrn herabgesandt ward – und die Gläubigen. Jeder glaubt an Gott und SEINE
Engel...“ (Qurʾān, Surah 2, Vers 285)
Wer also an die Existenz von Engeln nicht
glaubt, ist ein Islam-Leug-ner, da er etwas notwendigerweise Bekanntes in der
Religion in Abrede stellt.
Freilich sind die Gelehrten hinsichtlich der
Natur der Engel unter-schiedlicher Meinung. Die Mehrheit vertritt die Meinu-ng,
dass sie aus Licht erschaffen sind und stützen sich auf einen im Sahih
Muslim und im Musnad von Imam Ahmad Ibn Hanbal überlieferten Hadith.
Andere sind der Ansicht, es sei nicht möglich, dass Licht sich verkörpere, denn
es sei ja eine Auswirkung des Feuers, und demzufolge wären die Engel aus Feuer
erschaffen. Sie stützen sich dabei auf die Worte des Erhabenen:
„Und
den Çinn – WIR erschufen ihn zuvor aus dem Feuer des Samum.“ (Qurʾān,
Surah 15, Vers 27)
Man sagt auch: Gott erschuf zwei Naturen: den
Menschen aus Lehm und den Ğinn aus Feuer. Und sie erklären das arabische Wort جان Ğān
dahingehend, dass es von جن ǧanna abgeleitet ist, was verborgen sein bedeutet. Da nun die Engel verborgen und mit dem
Auge nicht zu sehen sind, gehören sie zu den Ğinn.
Diese Meinung findet jedoch keine Akzeptanz unter den Muslimen und so
ist die herrschende Meinung, dass Gott die Engel aus Licht, die Menschen aus
Lehm wie Keramikwaren und die Ğinn aus einer Feuermischung erschuf, und die
Dschān sind die Ğinn, die Gott, der Erhabene, in SEINEM BUCH mit den Worten
erwähnt:
„Sprich: „Geoffenbart ward mir, dass eine Schar von
den Çinn zugehört hat. Da
sprachen sie: «Fürwahr, wir hörten einen wunderbaren Qurʾān, der zum
vernunftgemäßen Han-deln führt. So glauben wir an ihn, und wir werden unserem
Herrn niemals jemanden beigesellen.
(Qurʾān, Surah 72, Verse 1-2)
Und es ist auch gegen die Vernunft, dass sie Engel seien, denn das
anbetende Dienen liegt in der Natur der Engel und so bedürfen sie keiner
Botschaft.
Dementsprechend ist der Glaube an die dritte Natur Pfli-cht, die Gott
aus Licht erschuf, wie genauso der Glaube Pfli-cht ist, dass Gott unter ihnen
Präferenzen hat. So gibt es unter ihnen nahestehende Engel, als da sind:
Gabriel, der mit der Übermittlung der Offenbarung an die Propheten und
Gesandten beauftragt ist, wie der Erhabene sagt:
„Mit ihm kam der vertrauenswürdige Geist herab“
(Qurʾān, Surah 26, Vers 193)
Michael, der in folgenden Worten des Erhabenen erwähnt wird:
„Wer ein Feind
Gotts und DESSEN Engel und DESSEN Gesandter und Gabriels und Michaels ist, so
ist Gott fürwahr ein Feind der Islam-Leugner.“ (Qurʾān,
Surah 2, Vers 98)
Israfil, der mit dem Blasen des Horns am Auferstehungstag beauftragt
ist.
Darüber hinaus muss man an Malik, den Höllenvogt, glau-ben. Der
Erhabene sagt:
„Und
sie rufen: „O Malik! Machte dein Herr uns doch ein Ende!“ Er wird sagen:
„Fürwahr, ihr seid Verbleibende!“
(Qurʾān, Surah 43, Vers 77)
Und der Vogt des Paradieses. Es wird gesagt, sein Name sei Raḍwān.
Außerdem ist der Glaube an die Höllenvogte Pflicht, denn der Erhabene
sagt:
„Über
ihm sind neunzehn. Und WIR haben zu Hütern des Höllenfeuers niemanden außer
Engel gemacht...“
(Qurʾān, Surah 74, Verse 30-31)
Und die Wächter. Der Erhabene sagt:
„Und
ER ist der bezwingende Herr über SEINE anbetend Dienenden, und ER sendet
Wächter über euch...“
(Qurʾān, Surah 6,
Vers 61 )
Und ER sagt auch:
„Für ihn sind begleitende Schutzengel vor ihm und
hinter ihm. Sie beschützen ihn auf Gotts Geheiß...“
(Qurʾān, Surah 13, Vers 11)
Sowie die Schreiber gemäß der Worte des Erhabenen:
„Und
fürwahr, über euch sind Wächter, ehrwürdige, schr-eibende.“ (Qurʾān,
Surah 82, Verse 10-11)
Kurz gesagt, der Glaube an die Engel, deren Namen im ehrwürdigen Qurʾān
stehen, ist Pflicht. Überdies muss man daran glauben, dass es weitere Engel
gibt um den Thron zu tragen, und Engel, die die Menschen sterben lassen, und
andere.
Der Beweis für die Existenz von Engeln und die Pflicht des Glaubens an
sie besteht in deren Erwähnung in zahl-reichen Versen im ehrwürdigen Qurʾān
sowie in der Anwei-sung Gotts an die Gläubigen, dass diese an deren Existenz
insgesamt wie einzeln zu glauben haben. Wer sie ergo ableug-net, ist schon vom
geraden Weg abgewichen. Gott, der Erha-bene, sagt:
„...Und wer Gott
leugnet und SEINE Engel und SEINE Bücher und SEINE Gesandten und den Jüngsten
Tag, dessen Fehlgehen ist ja bereits sehr weit gegangen.“
(Qurʾān, Surah 4, Vers 136)
Außerdem wird über Engel in Ḥadīṯen des Gesandten Gotts (Gott segne ihn
und schenke ihm Heil!) berichtet. Zu diesen Ḥadīṯen gehört, was Muslim
überliefert, dass der Pro-phet (Gott segne ihn und schenke ihm Heil!) bei
seinem Bitt-gebet, wenn er das Gebet der Nacht verrichtete, zu sagen pflegte:
„O Gott! Herr Gabriels und Michaels und Israfils! Schöpfer der Himmel und der
Erde! Wissender um das Unsi-chtbare und Sichtbare! DU urteilst zwischen DEINEN
anbete-nd Dienenden hinsichtlich dessen, worüber sie unterschiedli-cher Meinung
sind. Leite mich mit DEINER Erlaubnis zu dem recht, worin man hinsichtlich der
Wahrheit unterschiedlicher Meinung ist! Fürwahr, DU leitest recht, wen DU
willst, zu einem geraden Weg!“
Auch die Worte des Propheten: „Der Himmel brüllte stöhnend und er hat
recht stöhnend zu brüllen: Es gibt keine Stelle vier Finger breit in ihm, an
der nicht ein sich nieder-werfender Engel wäre.“
Überdies verhindert der Verstand die Existenz der Engel nicht, zumal
sie Spuren hinterlassen, die ihre Existenz bele-gen. Zu diesen Spuren gehören:
a)
as Gelangen der Offenbarung zu den Propheten und Gesandten,
wobei sie diese meistens durch den vertrau-enswürdigen Geist Gabriel (Friede
sei mit ihm!), also den mit der Offenbarung betrauten Engel, erreichte.
b)
Das Sterben der Menschen durch das Ergreifen deren
Seelen ist ebenfalls eine sichtbare Spur. Ferner belegt dies die Existenz des
Todesengels und dessen Helfer. Gott, der Erhabene sagt:
„Sprich: Es nimmt euch der Engel
des Todes hinweg, der mit euch betraut ist...“ (Qurʾān, Surah 32, Vers 11)
Und letztendlich stimmen die Menschen darin überein, dass das
Nicht-Sehen einer Sache auf Grund von Sehschwä-che oder Verlust der Sehfähigkeit
die Existenz dieser Sache nicht ausschließt. Es gibt sogar viele materielle
Dinge, die man erst sehen konnte, als man das Fernrohr erfunden hatte. Auf
diese Weise schließt das Nicht-Sehen der Engel deren Existenz nicht aus, denn
wir haben keine Möglichkeiten, die uns bei deren Sehen helfen. Solange die
Offenbarung uns deren Existenz be-richtet,
ist der Glaube an sie Pflicht.
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